Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 237)

hoffentlich binnen kurzem – ihre Wünsche für Dubslavs fortschreitende Gesundheit erfüllt haben würden«, Agnes, das Enkelkind der alten Buschen, als erste, wie sie vertraue, sittlich zu Heilende in das Asyl aufgenommen werden möchte.

Dubslav drehte den Brief hin und her, las noch einmal und sagte dann: »Oh, diese Komödie ... ›wenn sich meine Wünsche für Ihre fortschreitende Gesundheit erfüllt haben werden‹ ... das heißt doch einfach, ›wenn Sie sich demnächst den Rasen von unten ansehn‹. Alle Menschen sind Egoisten, Prinzessinnen auch, und sind sie fromm, so haben sie noch einen ganz besonderen Jargon. Es mag so bleiben, es war immer so. Wenn sie nur ein bißchen mehr Vertrauen zu dem gesunden Menschenverstand andrer hätten.«

Er steckte, während er so sprach, den Brief wieder in das Kuvert und rief Agnes. Das Kind kam auch.

»Agnes, gefällt es dir hier?«

»Ja, gnäd’ger Herr, es gefällt mir hier.«

»Und ist dir auch nicht zu still?«

»Nein, gnäd’ger Herr, es ist mir auch nicht zu still. Ich möchte immer hier sein.«

»Na, du sollst auch bleiben, Agnes, solang es geht. Und nachher. Ja, nachher ...«

Das Kind kniete vor ihm nieder und küßte ihm die Hände.

Dubslavs Zustand verschlechterte sich schnell. Engelke trat an ihn heran und sagte: »Gnäd’ger Herr, soll ich nicht in die Stadt schicken ?«

»Nein.«

»Oder zu der Buschen?«

»Ja, das tu. So ’ne alte Hexe kann es immer noch am besten.«

In Engelkens Augen traten Tränen.

Dubslav, als er es sah, schlug rasch einen andern Ton an. »Nein, Engelke, graule dich nicht vor deinem alten Herrn. Ich habe es bloß so hingesagt. Die Buschen soll nich kommen. Es würde mir wohl auch nicht viel schaden, aber wenn man schon so in sein Grab sieht, dann muß man doch anders sprechen, sonst hat man schlechte Nachrede bei den Leuten. Und das möcht’ ich nich, um meinetwegen nich und um Woldemars wegen nich ... Und dabei fällt mir auch noch Adelheid ein ... Die käme mir am Ende gleich nach, um mich zu retten. Nein, Engelke, nich die Buschen. Aber gib mir noch mal von den Tropfen. Ein bißchen besser als der Tee sind sie doch.«

Engelke ging, und Dubslav war wieder allein. Er fühlte, daß es zu Ende gehe. »Das ›Ich‹ ist nichts – damit muß man sich durchdringen. Ein ewig Gesetzliches vollzieht sich, weiter nichts, und dieser Vollzug, auch wenn er ›Tod‹ heißt, darf uns nicht schrecken. In das Gesetzliche sich ruhig schicken, das macht den sittlichen Menschen und hebt ihn.«

Er hing dem noch so nach und freute sich, alle Furcht überwunden zu haben. Aber dann kamen doch wieder Anfälle von Angst, und er seufzte: »Das Leben ist kurz, aber die Stunde ist lang.«

Es war eine schlimme Nacht. Alles blieb auf. Engelke lief hin und her, und Agnes saß in ihrem Bett und sah mit großen Augen durch die halbgeöffnete Tür in das Zimmer des Kranken. Erst als schon der Tag graute, wurde durch das ganze Haus hin alles ruhiger; der Kranke nickte matt vor sich hin, und auch Agnes schlief ein.

Es war wohl schon sieben – die Parkbäume hinter dem Vorgarten lagen bereits

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