Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 244)

Schecken, kleine Shetländer, warfen ihre Mähnen. Daß man von einem Begräbnis kam, war dem Gefährt nicht recht anzusehen.

»Rex«, sagte Czako, »Sie könnten nun wieder ein ander Gesicht aufsetzen. Oder wollen Sie mich glauben machen, daß Sie wirklich betrübten Herzens sind?«

»Nein, Czako, so gröblich inszenier’ ich mich nicht. Und käme mir so was in den Sinn, so jedenfalls nicht vor einem Publikum, das Czako heißt. Übrigens wollen Sie bloß etwas von sich auf mich abwälzen. Sie sind betrübt, und wenn ich mir alles überlege, so steht es so, daß Sie bei dem Château Lafitte nicht auf ihre Rechnung gekommen sind. Er wirkte – denn des Alten ›Bocksbeutel‹ hab’ ich von unserem Oktoberbesuch her noch in dankbarer Erinnerung –, wie wenn ihn Tante Adelheid aus ihrem Kloster mitgebracht hätte.«

»Rex, Sie sind ja wie vertauscht und reden beinah in meinem Stil. Es ist doch merkwürdig, sowie die Menschen dies Nest, dies Berlin, erst hinter sich haben, fängt Vernunft wieder an zu sprechen.«

»Sehr verbunden. Aber eskamotieren Sie nicht die Hauptsache. Meine Frage bleibt, ›warum so belegt, Czako?‹. Denn daß Sie das sind, ist außer Zweifel. Wenn’s also nicht von dem Lafitte stammt, so kann es nur Melusine sein.«

Czako seufzte.

»Da haben wir’s. Tatsache festgestellt, obwohl ich Ihren Seufzer nicht recht verstehe. Sie haben nämlich nicht den geringsten Grund dazu. Gesamtsituation umgekehrt überaus günstig.«

»Sie vergessen, Rex, die Gräfin ist sehr reich.«

»Das erschwert nicht, das erleichtert bloß.«

»Und außerdem ist sie grundgescheit.«

»Das sind Sie beinah auch, wenigstens mitunter.«

»Und dann ist die Gräfin eine Gräfin, ja, sogar eine Doppelgräfin, erst durch Geburt und dann durch Heirat noch mal. Und dazu diese verteufelt vornehmen Namen: Barby, Ghiberti. Was soll da Czako? Teuerster Rex, man muß den Mut haben, den Tatsachen ins Auge zu sehn. Ich mache mir kein Hehl draus, Czako hat was merkwürdig Kommißmäßiges, etwa wie Landwehrmann Schultze. Kennen Sie das reizende Ballett ›Uckermärker und Picarde‹? Da haben Sie die ganze Geschichte. Melusine ist die reine Picarde.«

»Zugegeben. Aber was schadet das? Italianisieren Sie sich und schreiben Sie sich von morgen ab Ciacco. Dann sind Sie dem Ghiberti trotz seiner Grafenschaft dicht auf den Hacken.«

»Sapristi, Rex, c’est une idée.«

45. Kapitel

Das junge Paar war, nach geplantem kurzen Aufenthalt erst in Amalfi und dann in Sorrent, in Capri angekommen. Woldemar fragte nach Briefen, erfuhr aber, daß nichts eingegangen.

Armgard schien verstimmt. »Melusine läßt sonst nie warten.«

»Das hat dich verwöhnt. Sie verwöhnt dich überhaupt.«

»Vielleicht. Aber, so dir’s recht ist, darüber erst später einmal, nicht heute; für solche Geständnisse sind wir doch eigentlich noch nicht lange genug verheiratet. Wir sind ja noch in den Flitterwochen.«

Woldemar beschwichtigte. »Morgen wird ein Brief da sein. Schließen wir also Frieden, und steigen wir, wenn dir’s paßt, nach Anacapri hinauf. Oder wenn du nicht steigen magst, bleiben wir, wo wir sind, und suchen uns hier eine gute Aussichtsstelle.«

Es war auf dem Frontbalkon ihres am mittleren Abhang gelegenen Albergo, daß sie dies Gespräch führten, und weil die Mühen und Anstrengungen der letzten Tage ziemlich groß gewesen waren, war Armgard willens, für heute wenigstens auf Anacapri zu verzichten. Sie begnügte sich also,

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