Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 46)
sonst nicht seine Sache ist.«
»Prinzessin«, wiederholte Rex, dem die Sache beinah den Atem nahm. »Und aus einem regierenden Hause?«
»Ja, was heißt aus einem regierenden Hause? Regiert haben sie alle mal. Und soviel ich weiß, wird ihnen dies ›mal regiert haben‹ auch immer noch angerechnet, wenigstens sowie sich’s um Eheschließungen handelt. Um so großartiger, wenn einzelne der hier in Betracht kommenden Damen auf alle diese Vorrechte verzichten und ohne Rücksicht auf Ebenbürtigkeit sich aus reiner Liebe vermählen. Ich sage ›vermählen‹, weil ›sich verheiraten‹ etwas plebeje klingt. Frau Katzler ist eine Ippe-Büchsenstein.«
»Eine Ippe!« sagte Rex. »Nicht zu glauben. Und erwartet wieder. Ich bekenne, daß mich das am meisten schockiert. Diese Ausgiebigkeit, ich finde kein anderes Wort, oder richtiger, ich will kein andres finden, ist doch eigentlich das Bürgerlichste, was es gibt.«
»Zugegeben. Und so hat es die Prinzessin auch wohl selber aufgefaßt. Aber das ist gerade das Große an der Sache; ja, so sonderbar es klingt, das Ideale.«
»Stechlin, Sie können nicht verlangen, daß man das so ohne weiteres versteht. Ein halb Dutzend Bälge, wo steckt da das Ideale?«
»Doch, Rex, doch. Die Prinzessin selbst, und das ist das Rührendste, hat sich darüber ganz unumwunden ausgesprochen. Und zwar zu meinem Alten. Sie sieht ihn öfter und möcht’ ihn, glaub’ ich, bekehren, – sie ist nämlich von der strengen Richtung und hält sich auch zu Superintendent Koseleger, unserm Papst hier. Und kurz und gut, sie macht meinem Papa beinah den Hof und erklärt ihn für einen perfekten Kavalier, wobei Katzler immer ein etwas süßsaures Gesicht macht, aber natürlich nicht widerspricht.«
»Und wie kam sie nur dazu, Ihrem Papa gerade Confessions in einer so delikaten Sache zu machen?«
»Das war voriges Jahr, genau um diese Zeit, als sie auch mal wieder erwartete. Da war mein Vater drüben und sprach, als das durch die Situation gegebene Thema berührt wurde, halb diplomatisch, halb humoristisch von der Königin Luise, hinsichtlich deren der alte Doktor Heim, als der Königin das ›Sechste oder Siebente‹ geboren werden sollte, ziemlich freiweg von der Notwendigkeit der ›Brache‹ gesprochen hatte.«
»Bißchen stark«, sagte Rex. »Ganz im alten-Heim-Stil. Aber freilich, Königinnen lassen sich viel gefallen. Und wie nahm es die Prinzessin auf?«
»Oh, sie war reizend, lachte, war weder verlegen noch verstimmt, sondern nahm meines Vaters Hand so zutraulich, wie wenn sie seine Tochter gewesen wäre. ›Ja, lieber Herr von Stechlin‹, sagte sie, ›wer A sagt, der muß auch B sagen. Wenn ich diesen Segen durchaus nicht wollte, dann mußt’ ich einen Durchschnittsprinzen heiraten, – da hätt’ ich vielleicht das gehabt, was der alte Heim empfehlen zu müssen glaubte. Statt dessen nahm ich aber meinen guten Katzler. Herrlicher Mann. Sie kennen ihn und wissen, er hat die schöne Einfachheit aller stattlichen Männer, und seine Fähigkeiten, soweit sich überhaupt davon sprechen läßt, haben etwas Einseitiges. Als ich ihn heiratete, war ich deshalb ganz von dem einen Gedanken erfüllt, alles Prinzeßliche von mir abzustreifen und nichts bestehen zu lassen, woraus Übelwollende hätten herleiten können: ›Ah, sie will immer noch eine Prinzessin sein.‹ Ich entschloß mich also für das Bürgerliche, und zwar ›voll und