Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 47)
ganz‹, wie man jetzt, glaub’ ich, sagt. Und was dann kam, nun, das war einfach die natürliche Konsequenz.‹«
»Großartig«, sagte Rex. »Ich entschlage mich nach solchen Mitteilungen jeder weiteren Opposition. Welch ein Maß von Entsagung! Denn auch im Nichtentsagen kann ein Entsagen liegen. Andauernde Opferung eines Innersten und Höchsten.«
»Unglaublich!« lachte Czako. »Rex, Rex. Ich hab’ Ihnen da schon vorhin alle Menschenkenntnis abgesprochen. Aber hier übertrumpfen Sie sich selbst. Wer Konventikel leitet, der sollte doch wenigstens die Weiber kennen. Erinnern Sie sich, Stechlin sagte, sie sei lymphatisch und habe Vergißmeinnichtaugen. Und nun sehen Sie sich den Katzler an. Beinah sechs Fuß und rotblond und das Eiserne Kreuz.«
»Czako, Sie sind mal wieder frivol. Aber man darf es mit Ihnen so genau nicht nehmen. Das ist das Slawische, was in Ihnen nachspukt; latente Sinnlichkeit.«
»Ja, sehr latent; durchaus vergrabner Schatz. Und ich wollte wohl, daß ich in die Lage käme, besser damit wuchern zu können. Aber ...«
So ging das Gespräch noch eine gute Weile. Die große Chaussee, darauf ihr Weg inzwischen wieder eingemündet, stieg allmählich an, und als man den Höhepunkt dieser Steigung erreicht hatte, lag das Kloster samt seinem gleichnamigen Städtchen in verhältnismäßiger Nähe vor ihnen. Auf ihrem Hinritte hatten Rex und Czako so wenig davon zu Gesicht bekommen, daß ein gewisses Betroffensein über die Schönheit des sich ihnen jetzt darbietenden Landschafts- und Architekturbildes kaum ausbleiben konnte. Czako besonders war ganz aus dem Häuschen, aber auch Rex stimmte mit ein. »Die große Feldsteingiebelwand«, sagte er, »so gewagt im allgemeinen bestimmte Zeitangaben auf diesem Gebiete sind, möcht’ ich in das Jahr 1375, also Landbuch Kaiser Karls IV., setzen dürfen.«
»Wohl möglich«, lachte Woldemar. »Es gibt nämlich Zahlen, die nicht gut widerlegt werden können, und ›Landbuch Kaiser Karls IV.‹ paßt beinah immer.«
Rex hörte drüber hin, weil er in seinem Geiste mal wieder einer allgemeineren und zugleich höheren Auffassung der Dinge zustrebte. »Ja, meine Herren«, hob er an, »das geschmähte Mittelalter. Da verstand man’s. Ich wage den Ausspruch, den ich übrigens nicht einem Kunsthandbuch entnehme, sondern der langsam in mir herangereift ist: ›Die Platzfrage geht über die Stilfrage.‹ Jetzt wählt man immer die häßlichste Stelle. Das Mittelalter hatte noch keine Brillen, aber man sah besser.«
»Gewiß«, sagte Czako. »Aber dieser Angriff auf die Brillen, Rex, ist nichts für Sie. Wer mit seinem Pincenez oder Monocle so viel operiert ...«
Das Gespräch kam nicht weiter, weil in eben diesem Augenblick mächtige Turmuhrschläge vom Städtchen Wutz her herüberklangen. Man hielt an, und jeder zählte »Vier«. Kaum aber hatte die Uhr ausgeschlagen, so begann eine zweite und tat auch ihre vier Schläge.
»Das ist die Klosteruhr«, sagte Czako.
»Warum?«
»Weil sie nachschlägt; alle Klosteruhren gehen nach. Natürlich. Aber wie dem auch sei, Freund Woldemar hat uns, glaub’ ich, für vier Uhr angemeldet, und so werden wir uns eilen müssen.«
KLOSTER WUTZ
Siebtes Kapitel
Alle setzten sich denn auch wieder in Trab, mit ihnen Fritz, der dabei näher an die voraufreitenden Herren herankam. Das Gespräch schwieg ganz, weil jeder in Erwartung der kommenden Dinge war.
Die Chaussee lief hier, auf eine gute Strecke, zwischen Pappeln hin; als man