Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 60)
Personen wie Fix sind sehr bestimmbar. Und kurz und gut, er sagte: das mit dem ›Wortlaut‹, das ginge nicht länger mehr, die ›Werte‹ wären jetzt anders, und weil die Werte nicht mehr dieselben wären, müßten auch die Worte sich danach richten und müßten gemodelt werden. Er sagte ›gemodelt‹. Aber was er am meisten immer wieder betonte, das waren die ›Werte‹ und die Notwendigkeit der ›Umwertung‹.«
»Und was sagte die Schmargendorf dazu?«
»Du hast ganz recht, mich dabei wieder auf die Schmargendorf zu bringen. Nun, die war außer sich und hat die darauffolgende Nacht nicht schlafen können. Erst gegen Morgen kam ihr ein tiefer Schlaf, und da sah sie, so wenigstens hat sie’s mir und dem Superintendenten versichert, einen Engel, der mit seinem Flammenfinger immer auf ein Buch wies und in dem Buch auf eine und dieselbe Stelle.«
»Welche Stelle?«
»Ja, darüber war ein Streit; die Schmargendorf hatte sie genau gelesen und wollte sie hersagen. Aber sie sagte sie falsch, weil sie sonntags in der Kirche nie recht aufpaßt. Und wir sagten ihr das auch. Und denke dir, sie widersprach nicht und blieb überhaupt ganz ruhig dabei. ›Ja‹, sagte sie, ›sie wisse recht gut, daß sie die Stelle falsch hergesagt hätte, sie habe nie was richtig hersagen können; aber das wisse sie ganz genau, die Stelle mit dem Flammenfinger, das sei der ›Wortlaut‹ gewesen.‹«
»Und das hast du wirklich alles geglaubt, liebe Tante? Diese gute Schmargendorf! Ich will ihr ja gerne folgen; aber was ihren Traum angeht, da kann ich beim besten Willen nicht mit. Es wird ihr ein Amtmann erschienen sein oder ein Pastor. Dreißig Jahre früher wär’ es ein Student gewesen.«
»Ach, Woldemar, sprich doch nicht so. Das ist ja die neue Façon, in der die Berliner sprechen, und in dem Punkt ist einer wie der andre. Dein Freund Czako spricht auch so. Du mokierst dich jetzt über die gute Schmargendorf, und dein Freund, der Hauptmann, soviel hab’ ich ganz deutlich gesehen, tat es auch und hat sie bei Tische geuzt.«
»Geuzt?«
»Du wunderst dich über das Wort, und ich wundre mich selber darüber. Aber daran ist auch unser guter Fix schuld. Der ist alle Monat mal nach Berlin rüber, und wenn er dann wiederkommt, dann bringt er so was mit, und wiewohl ich’s unpassend finde, nehm’ ich’s doch an und die Schmargendorf auch. Bloß die Triglaff nicht und natürlich die gute Schimonski auch nicht, wegen der Taubheit. Ja, Woldemar, ich sage ›geuzt‹, und dein Freund Czako hätt’ es lieber unterlassen sollen. Aber das muß wahr sein, er ist amüsant, wenn auch ein bißchen auf der Wippe. Siehst du ihn oft?«
»Nein, liebe Tante. Nicht oft. Bedenke die weiten Entfernungen. Von unsrer Kaserne bis zu seiner, oder auch umgekehrt, das ist eine kleine Reise. Dazu kommt noch, daß wir vor unserm Halleschen Tor eigentlich gar nichts haben, bloß die Kirchhöfe, das Tempelhofer Feld und das Rotherstift.«
»Aber ihr habt doch die Pferdebahn, wenn ihr irgendwo hin wollt. Beinah muß ich sagen, leider. Denn es gibt mir immer einen Stich, wenn ich mal in Berlin bin, so die Offiziere zu