Ungekürztes Werk "Lyrik in Auswahl" von Theodor Fontane (Seite 4)

Der alte Dessauer

 

Ich will ein Lied euch singen!

Mein Held ist eigner Art:

Ein Zopf vor allen Dingen,

Dreimaster, Knebelbart,

Blitzblank der Rock vom Bürsten

Und jeder Knopf wie Gold –

Ihr merkt, es gilt dem Fürsten,

Dem alten Leopold.

 

All Wissenschaft und Dichtung

Sein Lebtag er vermied,

Und sprach er je von »Richtung«,

Meint’ er: in Reih und Glied;

Statt Opern aller Arten

Hatt’ er nur einen Marsch,

Und selbst mit Schriftgelahrten

Verfuhr er etwas barsch.

 

Nicht mocht’ er Phrasen türmen

Von Fortschritt, glatt und schön,

Er wußte nur zu stürmen

Die Kesselsdorfer Höhn:

Er hielt nicht viel vom Zweifel

Un wen’ger noch vom Spott,

Er war ein dummer Teufel

Und glaubte noch an Gott.

 

Ja, ja, er war im Leben

Beschränkt, wie man’s so heißt,

Und soll ich Antwort geben,

Warum mein Lied ihn preist?

Nun denn, weil nie mit Worten

Er seine Feinde fraß,

Und weil ihm rechterorten

So Herz wie Galle saß.

 

Wie haben viel von Nöten,

Trotz allem guten Rat,

Und sollten schier erröten

Vor solchem Mann der Tat;

Verschnittnes Haar im Schopfe

Macht nicht allein den Mann –

Ich halt es mit dem Zopfe,

Wenn solche Männer dran.

 

[1846]

Seiten