Ungekürztes Werk "Schach von Wuthenow" von Theodor Fontane (Seite 73)

später wieder im Sattel; Ordonnanz Baarsch folgte.

Die gnädigen Worte beider Majestäten hatten eines Eindruckes auf ihn nicht verfehlt; trotzdem war er nur getroffen, in nichts aber umgestimmt worden. Er wußte, was er dem König schuldig sei: Gehorsam! Aber sein Herz widerstritt, und so galt es denn für ihn, etwas ausfindig zu machen, was Gehorsam und Ungehorsam in sich vereinigte, was dem Befehle seines Königs und dem Befehle seiner eigenen Natur gleichmäßig entsprach. Und dafür gab es nur einen Weg. Ein Gedanke, den er schon in Wuthenow gefaßt hatte, kam ihm jetzt wieder ein und reifte rasch zum Entschluß, und je fester er ihn werden fühlte, desto mehr fand er sich in seine frühere gute Haltung und Ruhe zurück. “Leben”, sprach er vor sich hin. “Was ist leben? Eine Frage von Minuten, eine Differenz von heut auf morgen.” Und er fühlte sich, nach Tagen schweren Druckes, zum ersten Male wieder leicht und frei.

Als er, heimreitend, bis an die Wegstelle gekommen war, wo eine alte Kastanienallee nach dem Kurfürstendamm hin abzweigte, bog er in diese Allee ein, winkte Baarsch an sich heran und sagte, während er den Zügel fallen ließ und die linke Hand auf die Kruppe seines Pferdes stemmte: “Sage, Baarsch, was hältst du eigentlich vom Heiraten?”

“Jott, Herr Rittmeister, wat soll ich davon halten? Mein Vater selig sagte ümmer: heiraten is gut, aber nich heiraten is noch besser.”

“Ja, das mag er wohl gesagt haben. Aber wenn ich nun heirate, Baarsch?”

“Ach, Herr Rittmeister werden doch nich!”

“Ja, wer weiß ... Ist es denn ein solches Malheur?”

“Jott, Herr Rittmeister, vor Ihnen grade nich, aber vor mir ...”

“Wie das?”

“Weil ich mit Unteroffizier Czepanski gewett't hab, es würd doch nichts. Un wer verliert, muß die ganze Korporalschaft freihalten.”

“Aber woher wußtet ihr denn davon?”

“I Jott, das munkelt ja nu all lang. Un wie nu vorige Woch' ooch noch die Bilders kamen ...”

“Ah, so ... Nu sage, Baarsch, wie steht es denn eigentlich mit der Wette? Hoch?”

“I nu, 's jeht, Herr Rittmeister. 'ne Cottbuser un'n Kümmel. Aber vor jed' een.”

“Nu, Baarsch, du sollst dabei nicht zu Schaden kommen. Ich werde die Wette bezahlen.”

Und dann schwieg er und murmelte nur noch vor sich hin: “et payer les pots cassés.”

18

Fata Morgana

Schach war zu guter Stunde wieder heim, und noch denselben Abend schrieb er ein Billet an Frau von Carayon, in dem er in anscheinend aufrichtigen Worten um seines Benehmens willen um Entschuldigung bat. Ein Kabinettsschreiben, das er vorgestern in Wuthenow empfangen habe, hab ihn heute nachmittag nach Charlottenburg hinausgeführt, wo König und Königin ihn an das, was seine Pflicht sei, gemahnt hätten. Er bedaure, solche Mahnung verschuldet zu haben, finde den Schritt, den Frau von Carayon getan, gerechtfertigt, und bäte, morgen im Laufe des Vormittags sich beiden Damen vorstellen zu dürfen, um ihnen sein Bedauern über diese neuen Versäumnisse persönlich zu wiederholen. In einer Nachschrift, die länger als der Brief selbst war, war hinzugefügt, “daß er durch eine Krisis gegangen sei; diese Krisis aber liege jetzt hinter ihm, und er hoffe sagen zu dürfen, ein Grund, an ihm

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