Ungekürztes Werk "Unterm Birnbaum" von Theodor Fontane (Seite 12)

und riß heftig an einem Klingeldraht, der nach dem Laden hineinführte.

Der Junge kam auch.

»Hradscheck soll wieder antreten, Ede. Wir warten ja. Mach flink!«

Und sieh, gleich danach erschien auch der Gerufene, hochrot und aufgeregt, aber, allem Anscheine nach, mehr in heiterer als verdrießlicher Erregung. Er entschuldigte sich kurz, daß er habe warten lassen, und nahm dann ohne weiteres eine Kugel um zu schieben.

»Aber du bist ja gar nicht dran!« schrie Kunicke. »Himmelwetter, was ist denn los? Und wie der Kerl aussieht! Entweder is ihm eine Schwiegermutter gestorben oder er hat das große Los gewonnen.«

Hradscheck lachte.

»Nu, so rede doch. Oder sollst du nach Berlin kommen und ein paar neue Rapspressen einrichten? Hast ja neulich unserm Quaas erst vorgerechnet, daß er nichts von der Ölpresse verstünde.«

»Hab ich, und ist auch so. Nichts für ungut, ihr Herren, aber der Bauer klebt immer am alten.«

»Und die Gastwirte sind immer fürs Neue. Bloß daß nicht viel dabei herauskommt.«

»Wer weiß!«

»Wer weiß? Höre, Hradscheck, ich fange wirklich an zu glauben … Oder is es ´ne Erbschaft?«

»Is so was. Aber nicht der Rede wert.«

»Und von woher denn?«

»Von meiner Frau Schwester.«

»Bist doch ein Glückskind. Ewig sind ihm die gebratenen Tauben ins Maul geflogen. Und aus dem Hildesheimschen, sagst du?«

»Ja, da so ´rum.«

»Na, da wird Reetzke drüben froh sein. Er war schon ungeduldig.«

»Weiß; er wollte klagen. Die Neu-Lewiner sind immer ängstlich und Pfennigfuchser und können nicht warten. Aber er wird´s nun wohl lernen und sich anders besinnen. Mehr sag ich nicht und paßt sich auch nicht. Man soll den Mund nicht voll nehmen. Und was ist am Ende solch bißchen Geld?«

»Geld ist nie ein bißchen. Wie viel Nullen hat´s denn?«

»Ach, Kinder, redet doch nicht von Nullen. Das beste ist, daß es nicht viel Wirtschaft macht und daß meine Frau nicht erst nach Hildesheim braucht. Solche weite Reise, da geht ja gleich die Hälfte drauf. Oder vielleicht auch das Ganze.«

»War es denn schon in dem Brief?«

»I, bewahre. Bloß die Anzeige von meinem Schwager, und daß das Geld in Berlin gehoben werden kann. Ich schicke morgen meine Frau. Sie versauert hier ohnehin.«

»Versteht sich«, sagte Mietzel, der sich immer ärgerte, wenn von dem »Versauern« der Frau Hradscheck die Rede war. »Versteht sich, laß sie nur reisen; Berlin, das ist so was für die Frau Baronin. Und vielleicht bringt sie dir gleich wieder ein Atlassofa mit. Oder ´nen Trumeau. So heißt es ja wohl? Bei so was Feinem muß unserein immer erst fragen. Der Bauer ist ja zu dumm.«

Frau Hradscheck reiste wirklich ab, um die geerbte Summe von Berlin zu holen, was schon im voraus das Gerede der ebenso neidischen wie reichen Bauernfrauen weckte, vor allen der Frau Quaas, die sich, ihrer gekrausten blonden Haare halber, ganz einfach für eine Schönheit hielt und aus dem Umstande, daß sie zwanzig Jahre jünger war als ihr Mann, ihr Recht zu fast ebenso vielen Liebschaften herleitete. Was gut aussah, war ihr ein Dorn im Auge, zumeist aber die Hradscheck, die nicht nur stattlicher und klüger war als sie selbst, sondern zum Überfluß auch noch in Verdacht stand (wenn

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