Ungekürztes Werk "Unterm Birnbaum" von Theodor Fontane (Seite 15)
murmelte sie halb unverständliche Worte vor sich hin und schien, den Bewegungen ihrer Hand nach, einen Rosenkranz abzubeten. Aber es half alles nichts. Ihr Atem blieb schwer, und sie riß endlich das Fenster auf, um die frische Luft einzusaugen.
So vergingen Stunden. Und als Mittag kam, kamen nur Hradscheck und Ede zu Tisch.
Fünftes Kapitel
Es war Ende November, als an einem naßkalten Abende der von der Krakauer Firma angekündigte Reisende vor Hradschecks Gasthof vorfuhr. Er kam von Küstrin und hatte sich um ein paar Stunden verspätet, weil die vom Regen aufgeweichten Bruchwege beinah unpassierbar gewesen waren, am meisten im Dorfe selbst. Noch die letzten dreihundert Schritt von der Orthschen Windmühle her hatten ein Stück Zeit gekostet, weil das ermüdete Pferd mitunter stehen blieb und trotz allem Fluchen nicht weiter wollte. Jetzt aber hielt der Reisende vor der Ladentür, durch deren trübe Scheiben ein Lichtschein auf den Damm fiel, und knipste mit der Peitsche.
»Hallo, Wirtschaft!«
Eine Weile verging, ohne daß wer kam. Endlich erschien der Ladenjunge, lief aber, als er den Tritt heruntergeklappt hatte, gleich wieder weg, »weil er den Knecht, den Jakob, rufen wolle.«
»Gut, gut. Aber flink … Is das ein Hundewetter!«
Unter solchen und ähnlichen Ausrufungen schlug der jetzt wieder allein gelassene Reisende das Schurzleder zurück, hing den Zügel in den frei gewordenen Haken und kletterte, halb erstarrt und unter Vermeidung des Tritts, dem er nicht recht zu trauen schien, über das Rad weg auf eine leidlich trockene, grad´ vor dem Ladeneingange durch Aufschüttung von Müll und Schutt hergerichtete Stellen. Wolfsschur und Pelzmütze hatten ihm Kopf und Leib geschützt, aber die Füße waren wie tot, und er stampfte hin und her, um wieder Leben ins Blut zu bringen.
Und jetzt erschien auch Jakob, der den Reisenden schon von früher her kannte.
»Jott, Herr Szulski, bi so´n Wetter! Un so´ne Weg´! J, doa kümmt joa keen Düwel nich.«
»Aber ich«, lachte Szulski.
»Joa, blot Se, Herr Szulski. Na, nu geihen´s man in de Stuw. Un dat Fellisen besorg ick. Un will ook glieks en beten wat inböten. Ich weet joa: de Giebelstuw, de geele, de noah de Kegelboahn to.«
Während er noch so sprach, hatte Jakob den Koffer auf die Schulter genommen und ging, dem Reisenden vorauf, auf die Treppe zu; als er aber sah, daß Szulski, statt nach links hin in den Laden, nach rechts hin in das Hradschecksche Wohnzimmer eintreten wollte, wandt er sich wieder und sagte: »Nei, nich doa, Herr Szulski. Hradscheck is in die Wienstuw … Se weten joa.«
»Sind denn Gäste da?«
»Versteiht sich. Wat arme Lüd sinn, na, de bliewen to Huus, awers Oll-Kunicke kümmt, un denn kümmt Orth ook. Un wenn Orth kümmt, denn kümmt ook Quaas un Mietzel. Geihens man in. Se tempeln alle wedder.«
Eine Stunde später war der Reisende, Herr Szulski, der eigentlich ein einfacher Schulz aus Beuthen in Oberschlesien war und den Nationalpolen erst mit dem polnischen Samtrock samt Schnüren und Knebelknöpfen angezogen hatte, der Mittelpunkt der kleinen, auch heute wieder in der Weinstube versammelten Tafelrunde. Das Geschäftliche war in Gegenwart von Quaas und Kunicke rasch abgemacht und die hochaufgelaufene