Ungekürztes Werk "Faust 1" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 4)

style="margin-left:11.35pt;">Wir wollen stark Getränke schlürfen;

Nun braut mir unverzüglich dran!

Was heute nicht geschieht, ist morgen nicht getan,

Und keinen Tag soll man verpassen;

Das Mögliche soll der Entschluß

Beherzt sogleich beim Schopfe fassen:

Er will es dann nicht fahren lassen

Und wirket weiter, weil er muß.

Ihr wißt, auf unsern deutschen Bühnen

Probiert ein jeder, was er mag;

Drum schonet mir an diesem Tag

Prospekte nicht und nicht Maschinen!

Gebraucht das groß’ und kleine Himmelslicht,

Die Sterne dürfet Ihr verschwenden;

An Wasser, Feuer, Felsenwänden,

An Tier und Vögeln fehlt es nicht.

So schreitet in dem engen Bretterhaus

Den ganzen Kreis der Schöpfung aus

Und wandelt mit bedächtger Schnelle

Vom Himmel durch die Welt zur Hölle!

Prolog im Himmel

 

Der Herr, die Himmlischen Heerscharen.

Nachher Mephistopheles.

Die drei Erzengel treten vor.

 

RAPHAEL. Die Sonne tönt nach alter Weise

In Brudersphären Wettgesang,

Und ihre vorgeschriebne Reise

Vollendet sie mit Donnergang.

Ihr Anblick gibt den Engeln Stärke,

Wenn keiner sie ergründen mag;

Die unbegreiflich hohen Werke

Sind herrlich wie am ersten Tag.

GABRIEL. Und schnell und unbegreiflich schnelle

Dreht sich umher der Erde Pracht;

Es wechselt Paradieseshelle

Mit tiefer, schauervoller Nacht;

Es schäumt das Meer in breiten Flüssen

Am tiefen Grund der Felsen auf,

Und Fels und Meer wird fortgerissen

In ewig-schnellem Sphärenlauf.

MICHAEL. Und Stürme brausen um die Wette

Vom Meer aufs Land, vom Land aufs Meer,

Und bilden wütend eine Kette

Der tiefsten Wirkung ringsumher.

Da flammt ein blitzendes Verheeren

Dem Pfade vor des Donnerschlags;

Doch deine Boten, Herr, verehren

Das sanfte Wandeln deines Tags.

ZU DREI. Der Anblick gibt den Engeln Stärke,

Da keiner dich ergründen mag,

Und alle deine hohen Werke

Sind herrlich wie am ersten Tag.

MEPHISTOPHELES. Da du, o Herr, dich einmal wieder nahst

Und fragst, wie alles sich bei uns befinde,

Und du mich sonst gewöhnlich gerne sahst,

So siehst du mich auch unter dem Gesinde.

Verzeih, ich kann nicht hohe Worte machen,

Und wenn mich auch der ganze Kreis verhöhnt;

Mein Pathos brächte dich gewiß zum Lachen,

Hättst du dir nicht das Lachen abgewöhnt.

Von Sonn' und Welten weiß ich nichts zu sagen;

Ich sehe nur, wie sich die Menschen plagen.

Der kleine Gott der Welt bleibt stets von gleichem Schlag

Und ist so wunderlich als wie am ersten Tag.

Ein wenig besser würd er leben,

Hättst du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben;

Er nennts Vernunft und brauchts allein,

Nur tierischer als jedes Tier zu sein.

Er scheint mir, mit Verlaub von Euer Gnaden,

Wie eine der langbeinigen Zikaden,

Die immer fliegt und fliegend springt

Und gleich im Gras ihr altes Liedchen singt.

Und läg er nur noch immer in dem Grase!

In jeden Quark begräbt er seine Nase.

DER HERR. Hast du mir weiter nichts zu sagen?

Kommst du nur immer anzuklagen?

Ist auf der Erde ewig dir nichts recht?

MEPHISTOPHELES.

Nein, Herr! ich find es dort, wie immer, herzlich schlecht.

Die Menschen dauern mich in ihren Jammertagen;

Ich mag sogar die Armen selbst nicht plagen.

DER HERR. Kennst du den Faust?

MEPHISTOPHELES.                       Den Doktor?

DER HERR.                                                          

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