Ungekürztes Werk "Faust 1" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 5)

Meinen Knecht!

MEPHISTOPHELES.

Fürwahr, er dient Euch auf besondre Weise!

Nicht irdisch ist des Toren Trank noch Speise!

Ihn treibt die Gärung in die Ferne;

Er ist sich seiner Tollheit halb bewußt:

Vom Himmel fordert er die schönsten Sterne

Und von der Erde jede höchste Lust,

Und alle Näh und alle Ferne

Befriedigt nicht die tiefbewegte Brust.

DER HERR. Wenn er mir jetzt auch nur verworren dient,

So werd ich ihn bald in die Klarheit führen.

Weiß doch der Gärtner, wenn das Bäumchen grünt,

Daß Blüt und Frucht die künftgen Jahre zieren.

MEPHISTOPHELES.

Was wettet Ihr? den sollt Ihr noch verlieren,

Wenn Ihr mir die Erlaubnis gebt,

Ihn meine Straße sacht zu führen!

DER HERR. Solang er auf der Erde lebt,

Solange sei dirs nicht verboten:

Es irrt der Mensch, solang er strebt.

MEPHISTOPHELES. Da dank ich Euch; denn mit den Toten

Hab ich mich niemals gern befangen.

Am meisten lieb ich mir die vollen, frischen Wangen,

Für einen Leichnam bin ich nicht zu Haus:

Mir geht es wie der Katze mit der Maus.

DER HERR. Nun gut, es sei dir überlassen!

Zieh diesen Geist von seinem Urquell ab

Und führ ihn, kannst du ihn erfassen,

Auf deinem Wege mit herab –

Und steh beschämt, wenn du bekennen mußt:

Ein guter Mensch, in seinem dunklen Drange,

Ist sich des rechten Weges wohl bewußt.

MEPHISTOPHELES. Schon gut! nur dauert es nicht lange.

Mir ist für meine Wette gar nicht bange.

Wenn ich zu meinem Zweck gelange,

Erlaubt Ihr mir Triumph aus voller Brust.

Staub soll er fressen, und mit Lust,

Wie meine Muhme, die berühmte Schlange!

DER HERR. Du darfst auch da nur frei erscheinen;

Ich habe deinesgleichen nie gehaßt;

Von allen Geistern, die verneinen,

Ist mir der Schalk am wenigsten zur Last.

Des Menschen Tätigkeit kann allzu leicht erschlaffen,

Er liebt sich bald die unbedingte Ruh;

Drum geb ich gern ihm den Gesellen zu,

Der reizt und wirkt und muß als Teufel schaffen. –

Doch ihr, die echten Göttersöhne,

Erfreut euch der lebendig-reichen Schöne!

Das Werdende, das ewig wirkt und lebt,

Umfaß euch mit der Liebe holden Schranken,

Und was in schwankender Erscheinung schwebt,

Befestiget mit dauernden Gedanken!

 

Der Himmel schließt, die Erzengel verteilen sich.

 

MEPHISTOPHELES allein.

Von Zeit zu Zeit seh ich den Alten gern,

Und hüte mich, mit ihm zu brechen.

Es ist gar hübsch von einem großen Herrn,

So menschlich mit dem Teufel selbst zu sprechen.

Der Tragödie erster Teil

 

 

Nacht

 

In einem hochgewölbten, engen gotischen Zimmer.

Faust unruhig auf seinem Sessel am Pulte.

 

Faust. Habe nun, ach! Philosophie,

Juristerei und Medizin

Und leider auch Theologie –

Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.

Da steh ich nun, ich armer Tor,

Und bin so klug als wie zuvor!

Heiße Magister, heiße Doktor gar

Und ziehe schon an die zehen Jahr

Herauf, herab und quer und krumm

Meine Schüler an der Nase herum –

Und sehe, daß wir nichts wissen können!

Das will mir schier das Herz verbrennen.

Zwar bin ich gescheiter als alle die Laffen,

Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen;

Mich plagen keine

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