Ungekürztes Werk "Faust 1" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 54)

vor ihren schönen Haaren,

Vor diesem Schmuck, mit dem sie einzig prangt!

Wenn sie damit den jungen Mann erlangt,

So läßt sie ihn so bald nicht wieder fahren.

FAUST. Da sitzen zwei, die Alte mit der Jungen;

Die haben schon was Rechts gesprungen!

MEPHISTOPHELES. Das hat nun heute keine Ruh.

Es geht zum neuen Tanz: nun komm! wir greifen zu.

FAUST mit der Jungen tanzend.

Einst hatt ich einen schönen Traum:

Da sah ich einen Apfelbaum,

Zwei schöne Äpfel glänzten dran;

Sie reizten mich, ich stieg hinan.

DIE SCHÖNE. Der Äpfelchen begehrt ihr sehr,

Und schon vom Paradiese her.

Von Freuden fühl ich mich bewegt,

Daß auch mein Garten solche trägt.

MEPHISTOPHELES mit der Alten.

Einst hatt ich einen wüsten Traum:

Da sah ich einen gespaltnen Baum,

Der hatt ein ungeheures Loch;

So groß es war, gefiel mirs doch.

DIE ALTE. Ich biete meinen besten Gruß

Dem Ritter mit dem Pferdefuß!

Halt Er einen rechten Pfropf bereit,

Wenn Er das große Loch nicht scheut.

PROKTOPHANTASMIST. Verfluchtes Volk! was untersteht ihr euch?

Hat man euch lange nicht bewiesen:

Ein Geist steht nie auf ordentlichen Füßen?

Nun tanzt ihr gar, uns andern Menschen gleich!

DIE SCHÖNE tanzend. Was will denn der auf unserm Ball?

FAUST tanzend. Ei! der ist eben überall.

Was andre tanzen, muß er schätzen.

Kann er nicht jeden Schritt beschwätzen,

So ist der Schritt so gut als nicht geschehn.

Am meisten ärgert ihn, sobald wir vorwärts gehn.

Wenn ihr euch so im Kreise drehen wolltet,

Wie ers in seiner alten Mühle tut,

Das hieß er allenfalls noch gut;

Besonders wenn ihr ihn darum begrüßen solltet.

PROKTOPHANTASMIST.

Ihr seid noch immer da! nein, das ist unerhört.

Verschwindet doch! Wir haben ja aufgeklärt! –

Das Teufelspack, es fragt nach keiner Regel.

Wir sind so klug, und dennoch spukts in Tegel.

Wie lange hab ich nicht am Wahn hinausgekehrt,

Und nie wirds rein! das ist doch unerhört!

DIE SCHÖNE. So hört doch auf, uns hier zu ennuyieren!

PROKTOPHANTASMIST. Ich sags euch Geistern ins Gesicht:

Den Geistesdespotismus leid ich nicht!

Mein Geist kann ihn nicht exerzieren.

Es wird fortgetanzt.

Heut, seh ich, will mir nichts gelingen;

Doch eine Reise nehm ich immer mit

Und hoffe, noch vor meinem letzten Schritt

Die Teufel und die Dichter zu bezwingen.

MEPHISTOPHELES. Er wird sich gleich in eine Pfütze setzen:

Das ist die Art, wie er sich soulagiert,

Und wenn Blutegel sich an seinem Steiß ergetzen,

Ist er von Geistern und von Geist kuriert.

Zu Faust, der aus dem Tanz getreten ist.

Was lässest du das schöne Mädchen fahren,

Das dir zum Tanz so lieblich sang?

FAUST. Ach, mitten im Gesange sprang

Ein rotes Mäuschen ihr aus dem Munde!

MEPHISTOPHELES. Das ist was Rechts! das nimmt man nicht genau;

Genug, die Maus war doch nicht grau!

Wer fragt darnach in einer Schäferstunde!

FAUST. Dann sah ich –

MEPHISTOPHELES.     Was?

FAUST.                                     Mephisto, siehst du dort

Ein blasses, schönes Kind allein und ferne stehen?

Sie schiebt sich langsam nur vom Ort,

Sie scheint mit geschloßnen Füßen zu gehen.

Ich muß bekennen, daß mir deucht,

Daß sie dem guten Gretchen gleicht.

MEPHISTOPHELES. Laß das nur stehn! dabei wirds niemand

Seiten