Ungekürztes Werk "Faust 2" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 26)

Läuschen

Enthüllen sich eh’r.

MEPHISTOPHELES.

Wie überraschend mich die junge Schöpfung freut!

Man säe nur, man erntet mit der Zeit.

Ich schüttle noch einmal den alten Flaus:

Noch eines flattert hier und dort hinaus. –

Hinauf! umher! in hunderttausend Ecken

Eilt euch, ihr Liebchen, zu verstecken,

Dort, wo die alten Schachteln stehn,

Hier im bebräunten Pergamen,

In staubigen Scherben alter Töpfe,

Dem Hohlaug jener Totenköpfe!

In solchem Wust und Moderleben

Muß es für ewig Grillen geben.

Schlüpft in den Pelz.

Komm, decke mir die Schultern noch einmal!

Heut bin ich wieder Prinzipal.

Doch hilft es nichts, mich so zu nennen:

Wo sind die Leute, die mich anerkennen?

Er zieht die Glocke, die einen gellenden, durchdringenden Ton

erschallen läßt, wovon die Hallen erbeben und die Türen aufspringen.

FAMULUS den langen finstern Gang herwankend.

Welch ein Tönen! welch ein Schauer!

Treppe schwankt, es bebt die Mauer;

Durch der Fenster buntes Zittern

Seh ich wetterleuchtend Wittern.

Springt das Estrich, und von oben

Rieselt Kalk und Schutt verschoben.

Und die Türe, fest verriegelt,

Ist durch Wunderkraft entsiegelt! –

Dort! wie fürchterlich! Ein Riese

Steht in Faustens altem Vliese!

Seinen Blicken, seinem Winken

Möcht ich in die Kniee sinken.

Soll ich fliehen? soll ich stehn?

Ach, wie wird es mir ergehn!

MEPHISTOPHELES winkend.

Heran, mein Freund! – Ihr heißet Nikodemus.

FAMULUS. Hochwürdiger Herr, so ist mein Nam. – Oremus.

MEPHISTOPHELES. Das lassen wir!

FAMULUS.                                           Wie froh, daß Ihr mich kennt!

MEPHISTOPHELES.

Ich weiß es wohl: bejahrt und noch Student,

Bemooster Herr! Auch ein gelehrter Mann

Studiert so fort, weil er nicht anders kann.

So baut man sich ein mäßig Kartenhaus,

Der größte Geist bauts doch nicht völlig aus.

Doch Euer Meister, das ist ein Beschlagner:

Wer kennt ihn nicht, den edlen Doktor Wagner,

Den Ersten jetzt in der gelehrten Welt!

Er ists allein, der sie zusammenhält,

Der Weisheit täglicher Vermehrer.

Allwißbegierige Horcher, Hörer

Versammeln sich um ihn zuhauf.

Er leuchtet einzig vom Katheder;

Die Schlüssel übt er wie Sankt Peter,

Das Untre so das Obre schließt er auf.

Wie er vor allen glüht und funkelt,

Kein Ruf, kein Ruhm hält weiter stand:

Selbst Faustus Name wird verdunkelt;

Er ist es, der allein erfand.

FAMULUS. Verzeiht, hochwürdiger Herr! wenn ich Euch sage,

Wenn ich zu widersprechen wage:

Von allem dem ist nicht die Frage;

Bescheidenheit ist sein beschieden Teil.

Ins unbegreifliche Verschwinden

Des hohen Manns weiß er sich nicht zu finden;

Von dessen Wiederkunft erfleht er Trost und Heil.

Das Zimmer, wie zu Doktor Faustus Tagen,

Noch unberührt, seitdem er fern,

Erwartet seinen alten Herrn.

Kaum wag ichs, mich hereinzuwagen. –

Was muß die Sternenstunde sein?

Gemäuer scheint mir zu erbangen;

Türpfosten bebten, Riegel sprangen,

Sonst kamt Ihr selber nicht herein.

MEPHISTOPHELES. Wo hat der Mann sich hingetan?

Führt mich zu ihm! bringt ihn heran!

FAMULUS. Ach, sein Verbot ist gar zu scharf!

Ich weiß nicht, ob ichs wagen darf.

Monatelang, des großen Werkes willen,

Lebt er im allerstillsten Stillen.

Der zarteste gelehrter Männer,

Er sieht aus wie ein Kohlenbrenner,

Geschwärzt vom Ohre bis zur Nasen,

Die Augen rot vom Feuerblasen:

So lechzt er

Seiten