Ungekürztes Werk "Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 9)

was mitgebracht?

GÖTZ: Diesmal nicht.

KARL: Ich hab viel gelernt.

GÖTZ: Ei!

KARL: Soll ich dir vom frommen Kind erzählen?

GÖTZ: Nach Tische.

KARL: Ich weiß noch was.

GÖTZ: Was wird das sein?

KARL: Jagsthausen ist ein Dorf und Schloß an der Jagst, gehört seit zweihundert Jahren den Herrn von Berlichingen erb- und eigentümlich zu.

GÖTZ: Kennst du den Herrn von Berlichingen?

Karl sieht ihn starr an.

GÖTZ vor sich: Er kennt wohl vor lauter Gelehrsamkeit seinen Vater nicht. – Wem gehört Jagsthausen?

KARL: Jagsthausen ist ein Dorf und Schloß an der Jagst.

GÖTZ: Das frag ich nicht. – Ich kannte alle Pfade, Weg' und Furten, eh ich wußte, wie Fluß, Dorf und Burg hieß. – Die Mutter ist in der Küche?

KARL: Ja, Vater! Sie kocht weiße Rüben und ein Lammsbraten.

GÖTZ: Weißt du's auch, Hans Küchenmeister?

KARL: Und für mich zum Nachtisch hat die Tante einen Apfel gebraten.

GÖTZ: Kannst du sie nicht roh essen?

KARL: Schmeckt so besser.

GÖTZ: Du mußt immer was Apartes haben. – Weislingen, ich bin gleich wieder bei Euch. Ich muß meine Frau doch sehn. Komm mit, Karl.

KARL: Wer ist der Mann?

GÖTZ: Grüß ihn. Bitt ihn, er soll lustig sein.

KARL: Da, Mann! hast du eine Hand, sei lustig, das Essen ist bald fertig.

WEISLINGEN hebt ihn in die Höh und küßt ihn: Glückliches Kind! das kein Übel kennt, als wenn die Suppe lang ausbleibt. Gott laß Euch viel Freud am Knaben erleben, Berlichingen!

GÖTZ: Wo viel Licht ist, ist starker Schatten – doch wär mir's willkommen. Wollen sehn, was es gibt.

Sie gebn.

WEISLINGEN: O daß ich aufwachte, und das alles wäre ein Traum! In Berlichingens Gewalt! von dem ich mich kaum losgearbeitet habe, dessen Andenken ich mied wie Feuer, den ich hoffte zu überwältigen! Und er – der alte treuherzige Götz! Heiliger Gott, was will aus dem allen werden? Rückgeführt, Adelbert, in den Saal, wo wir als Buben unsere Jagd trieben – da du ihn liebtest, an ihm hingst wie an deiner Seele. Wer kann ihm nahen und ihn hassen? Ach! ich bin so ganz nichts hier! Glückselige Zeiten, ihr seid vorbei, da noch der alte Berlichingen hier am Kamin saß, da wir um ihn durcheinander spielten und uns liebten wie die Engel. Wie wird sich der Bischof ängstigen, und meine Freunde! Ich weiß, das ganze Land nimmt teil an meinem Unfall. Was ist's! Können sie mir geben, wornach ich strebe?

GÖTZ mit einer Flasche Wein und Becher: Bis das Essen fertig wird, wollen wir eins trinken. Kommt, setzt Euch, tut, als wenn Ihr zu Hause wärt! Denkt, Ihr seid einmal wieder beim Götz. Haben doch lange nicht beisammen gesessen, lang keine Flasche miteinander ausgestochen. Bringt's ihm: Ein fröhlich Herz!

WEISLINGEN: Die Zeiten sind vorbei.

GÖTZ: Behüte Gott! Zwar vergnügtere Tage werden wir wohl nicht wieder finden als an des Markgrafen Hof, da wir noch beisammen schliefen und miteinander umherzogen. Ich erinnere mich mit Freuden meiner Jugend. Wißt Ihr noch, wie ich mit dem Polacken Händel kriegte, dem ich sein gepicht und gekräuselt Haar von ungefähr mit dem Ärmel verwischte?

WEISLINGEN: Es war bei Tische, und er stach nach Euch mit dem Messer.

GÖTZ: Den schlug ich wacker aus dazumal,

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