Interpretation "Faust I und II" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 8)

Dass die ganze katholisierende Schluss-Szenerie nicht so ganz ernst gemeint sein kann, zeigt die überraschende Wendung, die Fausts Rettung 'technisch' erst möglich macht: Mephisto, der aufpassen soll, dass ihm Fausts Seele nicht entwischt, wird abgelenkt von den erotisch reizvollen Engeln: "So sieh mich doch ein wenig lüstern an! / Auch könntet ihr anständig nackter gehen / Das lange Faltenhemd ist übersittlich – / Sie wenden sich – Von hinten anzusehen – / Die Racker sind doch gar zu appetitlich!" Diese Ablenkung führt dazu, dass die Engel Fausts Seele entführen können: "Die hohe Seele, die sich mir verpfändet, / Die haben sie mir pfiffig weggepascht. [...] / Ein großer Aufwand, schmählich! ist vertan, / Gemein Gelüst, absurde Liebschaft wandelt / Den ausgepichten Teufel an." So führt das Lustprinzip – symbolisiert in der Gestalt Mephistos – letztlich zu dem, was es ein langes Leben lang verhindern soll: zur Erlösung des Menschen aus seiner Zwienatur. Ein ironischer Schluß, der die menschliche Existenz auf befreiende Weise nicht ganz ernst nimmt.

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