Ungekürztes Werk "Das Wirtshaus im Spessart" von Wilhelm Hauff (Seite 55)
So sprachen sie und beschlossen, beim nächsten Kampfspiel, als wäre es durch Zufall geschehen, zu fünf oder sechs über ihn herzufallen.
Saids scharfen Blicken entgingen diese Zeichen des Unmuts nicht; er sah, wie sie in der Ecke zusammenstanden, flüsterten und mit bösen Mienen auf ihn deuteten; er ahnte, daß außer dem Bruder des Kalifen und dem Sohn des Großwesirs keiner sehr freundlich gegen ihn gesinnt sein möchte, und diese selbst wurden ihm durch ihre Fragen lästig: Wo sie ihn aufsuchen könnten; womit er sich beschäftige; was ihm in Bagdad wohl gefallen habe und dergleichen.
Es war ein sonderbarer Zufall, daß derjenige der jungen Männer, welcher Said-Almansor mit den grimmigsten Blicken betrachtete und am feindseligsten gegen ihn gesinnt schien, niemand anders war als der Mann, den er vor einiger Zeit vor Kalum-Beks Bude niedergeworfen hatte, als er gerade im Begriff war, dem unglücklichen Kaufmann den Bart auszureißen. Dieser Mann betrachtete ihn immer aufmerksam und neidisch; Said hatte ihn zwar schon einige Male besiegt, aber dies war kein hinlänglicher Grund zu solcher Feindseligkeit, und Said fürchtete schon, jener möchte ihn an seinem Wuchs oder an der Stimme als Kalum-Beks Ladendiener erkannt haben – eine Entdeckung, die ihn dem Spott und der Rache dieser Leute aussetzen würde.
Der Anschlag, welchen seine Neider auf ihn gemacht hatten, scheiterte sowohl an seiner Vorsicht und Tapferkeit als auch an der Freundschaft, womit ihm der Bruder des Kalifen und der Sohn des Großwesirs zugetan waren. Als diese sahen, daß er von wenigstens sechs umringt sei, die ihn vom Pferd zu wenden oder zu entwaffnen suchten, sprengten sie herbei, jagten den Trupp auseinander und drohten den jungen Leuten, welche so verräterisch gehandelt hatten, sie aus der Kampfbahn zu stoßen.
Mehr denn vier Monate hatte Said auf diese Weise zum Erstaunen Bagdads seine Tapferkeit erprobt, als er eines Abends beim Nachhausegehen von dem Kampfplatz einige Stimmen vernahm, die ihm bekannt schienen. Vor ihm gingen vier Männer, die sich langsamen Schrittes über etwas zu beraten schienen. Als Said leise näher trat, hörte er, daß sie den Dialekt der Horde Selims in der Wüste sprachen, und ahnte, daß die vier Männer auf irgendeine Räuberei ausgingen. Sein erstes Gefühl war, sich von diesen vieren zurückzuziehen; als er aber bedachte, daß er irgend etwas Böses verhindern könnte, schlich er sich noch näher herzu, diese Männer zu behorchen.
»Der Türsteher hat ausdrücklich gesagt, die Straße rechts vom Basar«, sprach der eine; »dort werde und müsse er heute nacht mit dem Großwesir durchkommen.«
»Gut«, antwortete ein anderer. »Den Großwesir fürchte ich nicht; er ist alt und wohl kein sonderlicher Held. Aber der Kalif soll ein gutes Schwert führen, und ich traue ihm nicht; es schleichen ihm gewiß zehn oder zwölf von der Leibwache nach.«
»Keine Seele«, entgegnete ihm ein dritter. »Wenn man ihn je gesehen und erkannt hat bei Nacht, war er immer nur allein mit dem Wesir oder mit dem Oberkämmerling. Heute nacht muß er unser sein, aber es darf ihm kein Leid geschehen!«
»Ich denke, das beste ist«, sprach der erste, »wir werfen ihm eine Schlinge über den Kopf. Töten dürfen