Ungekürztes Werk "Das Wirtshaus im Spessart" von Wilhelm Hauff (Seite 90)
empfing, dem Räuber seinen wahren Stand verraten können.
Als sie behutsam aus der Hütte getreten waren, bemerkte der Jäger, daß der gewöhnliche Posten an der Hütte diesmal nicht besetzt sei. So war es möglich, daß sie unbemerkt an den Hütten vorbeischleichen konnten; doch schlug der Hauptmann nicht den gewöhnlichen Pfad ein, der aus der Schlucht in den Wald hinaufführte, sondern er näherte sich einem Felsen, der ganz senkrecht und, wie es schien, unzugänglich vor ihnen lag.
Als sie dort angekommen waren, machte der Hauptmann auf eine Strickleiter aufmerksam, die an dem Felsen herabgespannt war. Er warf seine Büchse auf den Rücken und stieg zuerst hinan; dann rief er der Gräfin zu, ihm zu folgen, und bot ihr die Hand zur Hilfe; der Jäger stieg zuletzt hinauf. Hinter diesem Felsen zeigte sich ein Fußpfad, den sie einschlugen und rasch vorwärts gingen.
»Dieser Fußpfad«, sprach der Hauptmann, »führt nach der Aschaffenburger Straße. Dorthin wollen wir uns begeben, denn ich habe genau erfahren, daß Ihr Gemahl, der Graf, sich gegenwärtig dort aufhält.«
Schweigend zogen sie weiter; der Räuber immer voran, die drei anderen dicht hinter ihm. Nach drei Stunden hielten sie an; der Hauptmann lud Felix ein, sich auf einen Baumstamm zu setzen, um auszuruhen. Er zog Brot, eine Feldflasche mit altem Wein hervor und bot es den Ermüdeten an. »Ich glaube, wir werden, ehe eine Stunde vergeht, auf den Kordon stoßen, den das Militär durch den Wald gezogen hat. In diesem Fall bitte ich Sie, mit dem Anführer der Soldaten zu sprechen und gute Behandlung für mich zu verlangen.«
Felix sagte auch dies zu, obwohl er sich von seiner Verwendung geringen Erfolg versprach. Sie ruhten noch eine halbe Stunde und brachen dann auf.
Sie mochten etwa wieder eine Stunde gegangen sein und näherten sich schon der Landstraße; der Tag fing an, heraufzukommen, und die Dämmerung verbreitete sich schon im Wald, als ihre Schritte plötzlich durch ein lautes »Halt! Steht!« gefesselt wurden. Sie hielten, und fünf Soldaten rückten gegen sie vor und bedeuteten ihnen, sie müßten folgen und sich vor dem kommandierenden Major über ihre Reise ausweisen.
Als sie noch etwa fünfzig Schritte gegangen waren, sahen sie links und rechts im Gebüsch Gewehre blitzen; eine große Schar schien den Wald besetzt zu haben. Der Major saß mit mehreren Offizieren und anderen Männern unter einer Eiche. Als die Gefangenen vor ihn gebracht wurden und er eben anfangen wollte, sie zu examinieren über das Woher und Wohin, sprang einer der Männer auf und rief: »Mein Gott, was sehe ich? Das ist ja Gottfried, unser Jäger!«
»Jawohl, Herr Amtmann«, antwortete der Jäger mit freudiger Stimme, »da bin ich, und wunderbar gerettet aus der Hand des schlechten Gesindels.«
Die Offiziere erstaunten, ihn hier zu sehen; der Jäger aber bat den Major und den Amtmann, mit ihm auf die Seite zu treten, und erzählte in kurzen Worten, wie sie errettet worden und wer der vierte sei, welcher sie begleitete.
Erfreut über diese Nachricht, traf der Major sogleich seine Maßregeln, den wichtigen Gefangenen weitertransportieren zu lassen; den jungen Goldschmied aber führte er zu seinen Kameraden, stellte ihn als den