Ungekürztes Werk "Der Scheich von Alexandria und seine Sklaven" von Wilhelm Hauff (Seite 40)

Sprache«, sagten die Grünwieseler und blieben nicht mehr stehen.

Nach einem Vierteljahr ungefähr schien der Unterricht im Deutschen beendet, denn der Alte ging jetzt um eine Stufe weiter vor. Es lebte ein alter, gebrechlicher Franzose in der Stadt, der den jungen Leuten Unterricht im Tanzen gab; diesen ließ der Fremde zu sich rufen und sagte ihm, daß er seinen Neffen im Tanzen unterrichten lassen wolle. Er gab ihm zu verstehen, daß derselbe zwar sehr gelehrig, aber, was das Tanzen betreffe, etwas eigensinnig sei; er habe nämlich früher bei einem andern Meister tanzen gelernt, und zwar nach so sonderbaren Touren, daß er sich füglich nicht in der Gesellschaft produzieren könne; der Neffe halte sich aber deswegen für einen großen Tänzer, obgleich sein Tanz nicht die entfernteste Ähnlichkeit mit Walzer oder Galopp (Tänze, die man in meinem Vaterlande tanzt, o Herr!), nicht einmal Ähnlichkeit mit Ekossaise oder Française habe. Er versprach übrigens einen Taler für die Stunde, und der Tanzmeister war mit Vergnügen bereit, den Unterricht des eigensinnigen Zög­lings zu unternehmen.

Es gab, wie der Franzose unter der Hand versicherte, auf der Welt nichts so Sonderbares als diese Tanzstunden. Der Neffe, ein ziemlich großer, schlanker junger Mann, der nur etwas sehr kurze Beine hatte, erschien in einem roten Frack, schön frisiert, in grünen, weiten Beinkleidern und glacierten Handschuhen. Er sprach wenig und mit fremdem Akzent, war von Anfang ziemlich artig und anstellig; dann verfiel er aber oft plötzlich in fratzenhafte Sprünge, tanzte die kühnsten Touren, wobei er Entrechats machte, daß dem Tanzmeister Hören und Sehen verging. Wollte er ihn zurechtweisen, so zog er die zierlichen Tanzschuhe von den Füßen, warf sie dem Franzosen an den Kopf und setzte nun auf allen vieren im Zimmer umher.

Bei diesem Lärm fuhr dann der alte Herr plötzlich in einem weiten roten Schlafrock, eine Mütze von Goldpapier auf dem Kopf, aus seinem Zimmer heraus und ließ die Hetzpeitsche ziemlich unsanft auf den Rücken des Neffen niederfallen. Der Neffe fing dann an, schrecklich zu heulen, sprang auf Tische und hohe Kommoden, ja selbst an den Kreuzstöcken der Fenster hinauf, und sprach eine fremde, seltsame Sprache. Der Alte im roten Schlafrock aber ließ sich nicht irremachen, faßte ihn am Bein, riß ihn herab, bläute ihn durch und zog ihm mittels einer Schnalle die Halsbinde fester an, worauf er immer wieder artig und manierlich wurde und die Tanzstunde ohne Störung weiterging.

Als aber der Tanzmeister seinen Zögling so weit gebracht hatte, daß man Musik zu der Stunde nehmen konnte, da war der Neffe wie umgewandelt. Ein Stadtmusikant wurde gemietet, der sich im Saal des öden Hauses auf einen Tisch setzen mußte. Der Tanzmeister stellte dann die Dame dar, indem ihm der alte Herr einen Frauenrock von Seide und einen ostindischen Schal anziehen ließ; der Neffe forderte ihn auf und fing nun an, mit ihm zu tanzen und zu walzen. Er war aber ein unermüdlicher, rasender Tänzer; er ließ den Meister nicht aus seinen langen Armen, ob er ächzte und schrie, er mußte tanzen, bis er ermattet umsank oder bis dem Stadtmusikus der Arm

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