Ungekürztes Werk "Der Scheich von Alexandria und seine Sklaven" von Wilhelm Hauff (Seite 6)

Festtag werden; denn wisse, an diesem Tage wird einst dein Sohn zurückkehren.‹

So sprach der Derwisch; es wäre Sünde für jeden Muselmanen, an der Rede eines solchen Mannes zu zweifeln. Der Gram Alis wurde zwar darum nicht gemildert, aber doch harrt er an diesem Tage immer auf die Rückkehr seines Sohnes und schmückt sein Haus und seine Halle und die Treppen, als könne jener zu jeder Stunde anlangen.«

»Wunderbar!« erwiderte der Schreiber. »Aber zusehen möchte ich doch, wie alles so herrlich bereitet ist, wie er selbst in dieser Herrlichkeit trauert; und hauptsächlich möchte ich zuhören, wie er sich von seinen Sklaven erzählen läßt.«

»Nichts leichter als dies«, antwortete der Alte. »Der Aufseher der Sklaven jenes Hauses ist mein Freund seit langen Jahren und gönnt mir an diesem Tage immer ein Plätzchen in dem Saal, wo man unter der Menge der Diener und Freunde des Scheichs den einzelnen nicht bemerkt. Ich will mit ihm reden, daß er euch einläßt; ihr seid ja nur vier, und da kann es schon gehen. Kommt um die neunte Stunde auf diesen Platz, und ich will euch Antwort geben.« So sprach der Alte; die jungen Leute aber dankten ihm und entfernten sich, voll Begierde zu sehen, wie sich dies alles begeben würde.

Sie kamen zur bestimmten Stunde auf den Platz vor dem Hause des Scheichs und trafen da den Alten, der ihnen sagte, daß der Aufseher der Sklaven erlaubt habe, sie einzuführen. Er ging voran, doch nicht durch die reichgeschmückten Treppen und Tore, sondern durch ein Seitenpförtchen, das er sorgfältig wieder verschloß. Dann führte er sie durch mehrere Gänge, bis sie in den großen Saal kamen. Hier war ein großes Gedränge von allen Seiten; da waren reichgekleidete Männer, angesehene Herren der Stadt und Freunde des Scheichs, die gekommen waren, ihn in seinem Schmerz zu trösten; da waren Sklaven aller Art und aller Nationen. Aber alle sahen kummervoll aus, denn sie liebten ihren Herrn und trauerten mit ihm. Am Ende des Saales, auf einem reichen Diwan, saßen die vornehmsten Freunde Alis und wurden von den Sklaven bedient.

Neben ihnen auf dem Boden saß der Scheich, denn die Trauer um seinen Sohn erlaubte ihm nicht, auf dem Teppich der Freude zu sitzen. Er hatte sein Haupt in die Hand gestützt und schien wenig auf die Tröstungen zu hören, die ihm seine Freunde zuflüsterten. Ihm gegenüber saßen einige alte und junge Männer in Sklaventracht. Der Alte belehrte seine jungen Freunde, daß dies die Sklaven seien, die Ali Banu an diesem Tage freigebe. Es waren unter ihnen auch einige Franken, und der Alte machte besonders auf einen von ihnen aufmerksam, der von ausgezeichneter Schönheit und noch sehr jung war. Der Scheich hatte ihn erst einige Tage zuvor einem Sklavenhändler von Tunis um eine große Summe abgekauft und gab ihn dennoch jetzt schon frei, weil er glaubte, je mehr Franken er in ihr Vaterland zurückschicke, desto früher werde der Prophet seinen Sohn erlösen.

Nachdem man überall Erfrischungen umhergereicht hatte, gab der Scheich dem Aufseher der Sklaven ein Zeichen. Dieser stand auf, und es ward tiefe Stille im

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