Ungekürztes Werk "Atta Troll. Ein Sommernachtstraum" von Heinrich Heine (Seite 3)

Caput I

Rings umragt von dunklen Bergen,

Die sich trotzig übergipfeln,

Und von wilden Wasserstürzen

Eingelullet, wie ein Traumbild,

Liegt im Tal das elegante

Cauterets. Die weißen Häuschen

Mit Balkonen; schöne Damen

Stehn darauf und lachen herzlich.

Herzlich lachend schaun sie nieder

Auf den wimmelnd bunten Marktplatz,

Wo da tanzen Bär und Bärin

Bei des Dudelsackes Klängen.

Atta Troll und seine Gattin,

Die geheißen schwarze Mumma,

Sind die Tänzer, und es jubeln

Vor Bewundrung die Baskesen.

Steif und ernsthaft, mit Grandezza,

Tanzt der edle Atta Troll,

Doch der zottgen Ehehälfte

Fehlt die Würde, fehlt der Anstand.

Ja, es will mich schier bedünken,

Daß sie manchmal cancaniere,

Und gemütlos frechen Steißwurfs

An die Grand’-Chaumière erinnre.

Auch der wackre Bärenführer,

Der sie an der Kette leitet,

Scheint die Immoralität

Ihres Tanzes zu bemerken.

Und er langt ihr manchmal über

Einge Hiebe mit der Peitsche,

Und die schwarze Mumma heult dann,

Daß die Berge widerhallen.

Dieser Bärenführer trägt

Sechs Madonnen auf dem Spitzhut,

Die sein Haupt vor Feindeskugeln

Oder Läusen schützen sollen.

Über seine Schulter hängt

Eine bunte Altardecke,

Die als Mantel sich gebärdet;

Drunter lauscht Pistol und Messer.

War ein Mönch in seiner Jugend,

Später ward er Räuberhauptmann;

Beides zu vereingen, nahm er

Endlich Dienste bei Don Carlos.

Als Don Carlos fliehen mußte

Mit der ganzen Tafelrunde,

Und die meisten Paladine

Nach honettem Handwerk griffen –

(Herr Schnapphahnski wurde Autor) –

Da ward unser Glaubensritter

Bärenführer, zog durchs Land

Mit dem Atta Troll und Mumma.

Und er läßt die beiden tanzen

Vor dem Volke, auf den Märkten; –

Auf dem Markt von Cauterets

Tanzt gefesselt Atta Troll!

Atta Troll, der einst gehauset,

Wie ein stolzer Fürst der Wildnis,

Auf den freien Bergeshöhen,

Tanzt im Tal vor Menschenpöbel!

Und sogar für schnödes Geld

Muß er tanzen, er, der weiland,

In des Schreckens Majestät,

Sich so welterhaben fühlte!

Denkt er seiner Jugendtage,

Der verlornen Waldesherrschaft,

Dann erbrummen dunkle Laute

Aus der Seele Atta Trolls;

Finster schaut er wie ein schwarzer

Freiligräthscher Mohrenfürst,

Und wie dieser schlecht getrommelt,

Also tanzt er schlecht vor Ingrimm.

Doch statt Mitgefühl erregt er

Nur Gelächter. Selbst Juliette

Lacht herunter vom Balkone

Ob den Sprüngen der Verzweiflung. – –

Juliette hat im Busen

Kein Gemüt, sie ist Französin,

Lebt nach außen; doch ihr Äußres

Ist entzückend, ist bezaubernd.

Ihre Blicke sind ein süßes

Strahlennetz, in dessen Maschen

Unser Herz, gleich einem Fischlein,

Sich verfängt und zärtlich zappelt.

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