Ungekürztes Werk "Deutschland. Ein Wintermärchen" von Heinrich Heine (Seite 31)
Zu Caput XXIII
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»Du suchst vergebens! Du findest nicht mehr
Die lange Male, die dicke
Posaunenengel-Hannchen, du findest auch nicht
Die Braunschweiger Mummen-Friedrike.
Du suchst vergebens! Du findest nicht mehr
Den Schimmel, die falsche Marianne,
Pique-Aß-Luise, die rote Sophie,
Auch nicht die keusche Susanne.
Du findest die Strohpuppen-Jette nicht mehr,
Nicht mehr die große Malwine,
Auch nicht die Kuddelmuddel-Marie,
Auch nicht die Dragoner-Kathrine.
Das Leben verschlang sie, das Ungetüm,
Die unersättliche Hyder;
Du findest nicht die alte Zeit
Und die Zeitgenössinnen wieder!
Seitdem du uns verlassen hast,
Hat manches sich hier verwandelt,
Es wuchs ein junges Geschlecht heran,
Das anders fühlt und handelt.
Die Reste der Vergangenheit
Verwittern und verschwinden,
Du wirst jetzt auf der Schwiegerstraß
Ein neues Deutschland finden.«
Wer bist du – rief ich – daß du kennst
Die Namen jener Damen,
Die an des Jünglings Bildung einst
Den tätigsten Anteil nahmen?
Ja, ich gesteh, es hängt mein Herz
Ein bißchen an dem alten
Deutschland noch immer, ich denke noch gern
An die schönen verlornen Gestalten.
Doch du, wer bist du? Du scheinst mir bekannt,
Wie ein Bild aus alten Träumen –
Wo wohnst du? – kann ich mit dir gehn?
Laßt uns nicht lange säumen!