Ungekürztes Werk "Die Elixiere des Teufels" von E. T. A. Hoffmann (Seite 146)
Entwurf geriet über die Maßen wohl, und die freveligen Jünglinge priesen hoch Franceskos verruchten Einfall, den frommen Mönchen statt der christlichen Heiligen ein heidnisches Götzenbild in die Kirche zu stellen. Aber wie Francesko zu malen begann, siehe, da gestaltete sich alles anders, als er es in Sinn und Gedanken getragen, und ein mächtiger Geist überwältigte den Geist der schnöden Lüge, der ihn beherrscht hatte. Das Gesicht eines Engels aus dem hohen Himmelreiche fing an, aus düstern Nebeln hervorzudämmern; aber als wie von scheuer Angst, das Heilige zu verletzen und dann dem Strafgericht des Herrn zu erliegen, ergriffen, wagte Francesko nicht, das Gesicht zu vollenden, und um den nackt gezeichneten Körper legten in anmutigen Falten sich züchtige Gewänder, ein dunkelrotes Kleid und ein azurblauer Mantel. Die Kapuzinermönche hatten in dem Schreiben an den Maler Francesko nur des Bildes der heiligen Rosalia gedacht, ohne weiter zu bestimmen, ob dabei nicht eine denkwürdige Geschichte ihres Lebens der Vorwurf des Malers sein solle, und ebendaher hatte Francesko auch nur in der Mitte des Blatts die Gestalt der Heiligen entworfen; aber nun malte er, vom Geiste getrieben, alle die Figuren rings umher, die sich wunderbarlich zusammenfügten, um das Martyrium der Heiligen darzustellen. Francesko war in sein Bild ganz und gar versunken, oder vielmehr das Bild war selbst der mächtige Geist geworden, der ihn mit starken Armen umfaßte und emporhielt über das frevelige Weltleben, das er bisher getrieben. Nicht zu vollenden vermochte er aber das Gesicht der Heiligen, und das wurde ihm zu einer höllischen Qual, die wie mit spitzen Stacheln in sein inneres Gemüt bohrte. Er gedachte nicht mehr des Venusbildes, wohl aber war es ihm, als sähe er den alten Meister Leonardo, der ihn anblickte mit kläglicher Gebärde und ganz ängstlich und schmerzlich sprach: »Ach, ich wollte dir wohl helfen, aber ich darf es nicht, du mußt erst entsagen allem sündhaften Streben und in tiefer Reue und Demut die Fürbitte der Heiligen erflehen, gegen die du gefrevelt hast.« –
Die Jünglinge, welche Francesko so lange geflohen, suchten ihn in seiner Werkstatt und fanden ihn wie einen ohnmächtigen Kranken ausgestreckt auf seinem Lager liegen. Da aber Francesko ihnen seine Not klagte, wie er, als habe ein böser Geist seine Kraft gebrochen, nicht das Bild der heiligen Rosalia fertigzumachen vermöge, da lachten sie alle auf und sprachen: »Ei, mein Bruder, wie bist du denn mit einemmal so krank geworden? – Laßt uns dem Äskulap und der freundlichen Hygeia ein Weinopfer bringen, damit jener Schwache dort genese!« Es wurde Syrakuser Wein gebracht, womit die Jünglinge die Trinkschalen füllten und, vor dem unvollendeten Bilde den heidnischen Göttern Libationen darbringend, ausgossen. Aber als sie dann wacker zu zechen begannen und dem Francesko Wein darboten, da wollte dieser nicht trinken und nicht teilnehmen an dem Gelage der wilden Brüder, unerachtet sie Frau Venus hochleben ließen! Da sprach einer unter ihnen: »Der törichte Maler da ist wohl wirklich in seinen Gedanken und Gliedmaßen krank, und ich muß nur einen Doktor herbeiholen.« Er warf seinen Mantel um, steckte seinen Stoßdegen an und schritt