Ungekürztes Werk "Die Elixiere des Teufels" von E. T. A. Hoffmann (Seite 150)
klägliche bittende Töne aus, und es wandelte ihn tiefes Mitleid an, er legte das Knäblein auf weiches Moos und tröpfelte ihm den Saft einer Pomeranze ein, die er bei sich getragen.
Francesko hatte, gleich einem büßenden Einsiedler, mehrere Wochen in der Höhle zugebracht und, sich abwendend von dem sündlichen Frevel, in dem er gelebt, inbrünstig zu den Heiligen gebetet. Aber vor allen andern rief er die von ihm schwer beleidigte Rosalia an, daß sie vor dem Throne des Herrn seine Fürsprecherin sein möge.
Eines Abends lag Francesko, in der Wildnis betend, auf den Knien und schaute in die Sonne, welche sich tauchte in das Meer, das im Westen seine roten Flammenwellen emporschlug. Aber sowie die Flammen verblaßten im grauen Abendnebel, gewahrte Francesko in den Lüften einen leuchtenden Rosenschimmer, der sich bald zu gestalten begann. Von Engeln umgeben sah Francesko die heilige Rosalia, wie sie auf einer Wolke kniete, und ein sanftes Säuseln und Rauschen sprach die Worte: »Herr, vergib dem Menschen, der in seiner Schwachheit und Ohnmacht nicht zu widerstehen vermochte den Lockungen des Satans.« Da zuckten Blitze durch den Rosenschimmer, und ein dumpfer Donner ging dröhnend durch das Gewölbe des Himmels: »Welcher sündige Mensch hat gleich diesem gefrevelt! Nicht Gnade, nicht Ruhe im Grabe soll er finden, solange der Stamm, den sein Verbrechen erzeugte, fortwuchert in freveliger Sünde!« – – Francesko sank nieder in den Staub, denn er wußte wohl, daß nun sein Urteil gesprochen und ein entsetzliches Verhängnis ihn trostlos umhertreiben werde. Er floh, ohne des Knäbleins in der Höhle zu gedenken, von dannen und lebte, da er nicht mehr zu malen vermochte, im tiefen, jammervollen Elend. Manchmal kam es ihm in den Sinn, als müsse er zur Glorie der christlichen Religion herrliche Gemälde ausführen, und er dachte große Stücke in der Zeichnung und Färbung aus, die die heiligen Geschichten der Jungfrau und der heiligen Rosalia darstellen sollten; aber wie konnte er solche Malerei beginnen, da er keinen Skudo besaß, um Leinwand und Farben zu kaufen, und nur von dürftigen Almosen, an den Kirchentüren gespendet, sein qualvolles Leben durchbrachte.
Da begab es sich, daß, als er einst in einer Kirche, die leere Wand anstarrend, in Gedanken malte, zwei in Schleier gehüllte Frauen auf ihn zutraten, von denen eine mit holder Engelsstimme sprach: »In dem fernen Preußen ist der Jungfrau Maria, da, wo die Engel des Herrn ihr Bildnis auf einen Lindenbaum niedersetzten, eine Kirche erbaut worden, die noch des Schmuckes der Malerei entbehrt. Ziehe hin, die Ausübung deiner Kunst sei dir heilige Andacht, und deine zerrissene Seele wird gelabt werden mit himmlischem Trost.« – Als Francesko aufblickte zu den Frauen, gewahrte er, wie sie in sanft leuchtenden Strahlen zerflossen und ein Lilien- und Rosenduft die Kirche durchströmte. Nun wußte Francesko, wer die Frauen waren, und wollte den andern Morgen seine Pilgerfahrt beginnen. Aber noch am Abende desselben Tages fand ihn nach vielen Mühen ein Diener Zenobios auf, der ihm ein zweijähriges Gehalt auszahlte und ihn einlud an den Hof seines Herrn. Doch nur eine geringe Summe behielt Francesko, das übrige teilte