Ungekürztes Werk "Die Elixiere des Teufels" von E. T. A. Hoffmann (Seite 155)
ergab, und sie hatte gesündigt, ehe der Gedanke der Sünde aufgegangen in ihrem Innern. Als die Tat nicht mehr verschwiegen bleiben konnte, da warf er sich, wie voll Verzweiflung über das, was er begangen, der Mutter zu Füßen und gestand alles. Graf Pietro, unerachtet er selbst in Sünde und Frevel befangen, hätte Franz und Aurelie ermordet. Die Mutter ließ den Franz ihren gerechten Zorn fühlen, indem sie ihn mit der Drohung, die verruchte Tat dem Grafen Pietro zu entdecken, auf immer aus ihren und der verführten Tochter Augen verbannte. Es gelang der Gräfin, die Tochter den Augen des Grafen Pietro zu entziehen, und sie gebar an entfernten Orten ein Töchterlein. Aber Franz konnte nicht lassen von Aurelien, er erfuhr ihren Aufenthalt, eilte hin und trat in das Zimmer, als eben die Gräfin, verlassen vom Hausgesinde, neben dem Bette der Tochter saß und das Töchterlein, das erst acht Tage alt geworden, auf dem Schoße hielt. Die Gräfin stand voller Schreck und Entsetzen über den unvermuteten Anblick des Bösewichts auf und gebot ihm, das Zimmer zu verlassen. »Fort .... fort, sonst bist du verloren; Graf Pietro weiß, was du Verruchter begonnen!« So rief sie, um dem Franz Furcht einzujagen, und drängte ihn nach der Türe; da übermannte den Franz wilde, teuflische Wut, er riß der Gräfin das Kind vom Arme, versetzte ihr einen Faustschlag vor die Brust, daß sie rücklings niederstürzte, und rannte fort. Als Aurelie aus tiefer Ohnmacht erwachte, war die Mutter nicht mehr am Leben, die tiefe Kopfwunde – sie war auf einen mit Eisen beschlagenen Kasten gestürzt – hatte sie getötet. Franz hatte im Sinn, das Kind zu ermorden, er wickelte es in Tücher, lief am finstern Abend die Treppe hinab und wollte eben zum Hause hinaus, als er ein dumpfes Wimmern vernahm, das aus einem Zimmer des Erdgeschosses zu kommen schien. Unwillkürlich blieb er stehen, horchte und schlich endlich jenem Zimmer näher. In dem Augenblick trat eine Frau, welche er für die Kinderwärterin der Baronesse S., in deren Hause er wohnte, erkannte, unter kläglichem Jammern heraus. Franz frug, weshalb sie sich so gebärde. »Ach Herr«, sagte die Frau, »mein Unglück ist gewiß, soeben saß die kleine Euphemie auf meinem Schoße und juchzte und lachte, aber mit einemmal läßt sie das Köpfchen sinken und ist tot. Blaue Flecken hat sie auf der Stirn, und so wird man mir Schuld geben, daß ich sie habe fallen lassen!« – Schnell trat Franz hinein, und als er das tote Kind erblickte, gewahrte er, wie das Verhängnis das Leben seines Kindes wollte, denn es war mit der toten Euphemie auf wunderbare Weise gleich gebildet und gestaltet. Die Wärterin, vielleicht nicht so unschuldig an dem Tode des Kindes, als sie vorgab, und bestochen durch Franzens reichliches Geschenk, ließ sich den Tausch gefallen; Franz wickelte nun das tote Kind in die Tücher und warf es in den Strom. Aureliens Kind wurde als die Tochter der Baronesse von S., Euphemie mit Namen, erzogen, und der Welt blieb das Geheimnis ihrer Geburt verborgen. Die Unselige wurde nicht