Ungekürztes Werk "Das Schloß" von Franz Kafka (Seite 110)
Bote ist.” – “Du hast vielleicht recht”, sagte K., “aber er ist der einzige Bote, der mir geschickt wird.” – “Desto schlimmer”, sagte Frieda, “desto mehr solltest du dich vor ihm hüten.” – “Er hat mir leider bisher keinen Anlaß hierzu gegeben”, sagte K. lächelnd. “Er kommt selten, und was er bringt, ist belanglos; nur daß es geradewegs von Klamm herrührt, macht es wertvoll.” – “Aber sieh nur”, sagte Frieda, “es ist ja nicht einmal mehr Klamm dein Ziel, vielleicht beunruhigt mich das am meisten. Daß du dich immer über mich hinweg zu Klamm drängtest, war schlimm, daß du jetzt von Klamm abzukommen scheinst, ist viel schlimmer, es ist etwas, was nicht einmal die Wirtin vorhersah. Nach der Wirtin endete mein Glück, fragwürdiges und doch sehr wirkliches Glück, mit dem Tage, an dem du endgültig einsahst, daß deine Hoffnung auf Klamm vergeblich war. Nun aber wartest du nicht einmal mehr auf diesen Tag; plötzlich kommt ein kleiner Junge herein, und du beginnst mit ihm um seine Mutter zu kämpfen, so, wie wenn du um deine Lebensluft kämpftest.” – “Du hast mein Gespräch mit Hans richtig aufgefaßt”, sagte K. “So war es wirklich. Ist aber denn dein ganzes früheres Leben für dich so versunken (bis auf die Wirtin natürlich, die sich nicht mit hinabstoßen läßt), daß du nicht mehr weißt, wie um das Vorwärtskommen gekämpft werden muß, besonders wenn man von tief unten herkommt? Wie alles benützt werden muß, was irgendwie Hoffnung gibt? Und diese Frau kommt vom Schloß, sie selbst hat es mir gesagt, als ich mich am ersten Tag zu Lasemann verirrte. Was lag näher, als sie um Rat oder sogar um Hilfe zu bitten; kennt die Wirtin ganz genau nur alle Hindernisse, die von Klamm abhalten, dann kennt diese Frau wahrscheinlich den Weg, siehst ihn ja selbst herabgekommen.” – “Den Weg zu Klamm?” fragte Frieda. “Zu Klamm, gewiß, wohin denn sonst”, sagte K. Dann sprang er auf: “Nun aber ist es höchste Zeit, das Gabelfrühstück zu holen.” Dringend, weit über den Anlaß hinaus, bat ihn Frieda zu bleiben, so, wie wenn erst sein Bleiben alles Tröstliche, was er ihr gesagt hatte, bestätigen würde. K. aber erinnerte an den Lehrer, zeigte auf die Tür, die jeden Augenblick mit Donnerkrach aufspringen könnte, versprach auch gleich zu kommen, nicht einmal einheizen müsse sie, er selbst werde es besorgen. Schließlich fügte sich Frieda schweigend. Als K. draußen durch den Schnee stapfte – längst schon hätte der Weg freigeschaufelt sein sollen, merkwürdig, wie langsam die Arbeit vorwärtsging –, sah er am Gitter einen der Gehilfen todmüde sich festhalten. Nur einen, wo war der andere? Hatte K. also wenigstens die Ausdauer des einen gebrochen? Der Zurückgebliebene war freilich noch eifrig genug bei der Sache; das sah man, als er, durch den Anblick K.s belebt, sofort wilder mit dem Armeausstrecken und dem sehnsüchtigen Augenverdrehen begann. “Seine Unnachgiebigkeit ist musterhaft”, sagte sich K. und mußte allerdings hinzufügen, “man erfriert mit ihr am Gitter.” Äußerlich hatte aber K. für den Gehilfen nichts anderes als ein Drohen mit