Ungekürztes Werk "Das Schloß" von Franz Kafka (Seite 120)

ein Eindringling wäre? Diese Barrieren darfst du dir auch nicht als eine bestimmte Grenze vorstellen, darauf macht mich auch Barnabas immer wieder aufmerksam. Barrieren sind auch in den Kanzleien, in die er geht; es gibt also auch Barrieren, die er passiert, und sie sehen nicht anders aus als die, über die er noch nicht hinweggekommen ist, und es ist auch deshalb nicht von vornherein anzunehmen, daß sich hinter diesen letzteren Barrieren wesentlich andere Kanzleien befinden als jene, in denen Barnabas schon war. Nur eben in jenen trüben Stunden glaubt man das. Und dann geht der Zweifel weiter, man kann sich gar nicht wehren. Barnabas spricht mit Beamten, Barnabas bekommt Botschaften. Aber was für Beamte, was für Botschaften sind es? Jetzt ist er, wie er sagt, Klamm zugeteilt und bekommt von ihm persönlich die Aufträge. Nun, das wäre doch sehr viel, selbst höhere Diener gelangen nicht so weit, es wäre fast zuviel, das ist das Beängstigende. Denk nur, unmittelbar Klamm zugeteilt sein, mit ihm von Mund zu Mund sprechen. Aber es ist doch so? Nun ja, es ist so, aber warum zweifelt denn Barnabas daran, daß der Beamte, der dort als Klamm bezeichnet wird, wirklich Klamm ist?” – “Olga”, sagte K., “du willst doch nicht scherzen, wie kann über Klamms Aussehen ein Zweifel bestehen, es ist doch bekannt, wie er aussieht, ich selbst habe ihn gesehen.” – “Gewiß nicht, K.”, sagte Olga. “Scherze sind es nicht, sondern meine allerernstesten Sorgen. Doch erzähle ich es dir nicht, um mein Herz zu erleichtern und deines etwa zu beschweren, sondern weil du nach Barnabas fragtest, Amalia mir den Auftrag gab, zu erzählen, und weil ich glaube, daß es auch für dich nützlich ist, Genaueres zu wissen. Auch wegen Barnabas tue ich es, damit du nicht allzu große Hoffnungen auf ihn setzt, er dich enttäuscht und dann selbst unter deiner Enttäuschung leidet. Er ist sehr empfindlich; er hat zum Beispiel heute nacht nicht geschlafen, weil du gestern abend mit ihm unzufrieden warst; du sollst gesagt haben, daß es sehr schlimm für dich ist, daß du nur einen solchen Boten wie Barnabas hast. Die Worte haben ihn um den Schlaf gebracht. Du selbst wirst wohl von seinen Aufregungen nicht viel gemerkt haben, Schloßboten müssen sich sehr beherrschen. Aber er hat es nicht leicht, selbst mit dir nicht. Du verlangst ja in deinem Sinn gewiß nicht zuviel von ihm, du hast bestimmte Vorstellungen vom Botendienst mitgebracht, und nach ihnen bemißt du deine Anforderungen. Aber im Schloß hat man andere Vorstellungen vom Botendienst, sie lassen sich mit deinen nicht vereinen, selbst wenn sich Barnabas gänzlich dem Dienst opferte, wozu er leider manchmal bereit scheint. Man müßte sich ja fügen, dürfte nichts dagegen sagen, wäre nur nicht die Frage, ob es wirklich Botendienst ist, was er tut. Dir gegenüber darf er natürlich keinen Zweifel darüber aussprechen; es hieße für ihn, seine eigene Existenz untergraben, wenn er das täte, Gesetze grob verletzen, unter denen er ja noch zu stehen glaubt, und selbst mir gegenüber spricht er nicht frei, abschmeicheln, abküssen

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