Ungekürztes Werk "Das Schloß" von Franz Kafka (Seite 13)

das Recht, uns zu stören.” – “O bitte, o bitte”, sagte der Bauer ängstlich und ging rücklings zu seiner Gesellschaft zurück. “Dieses müßt ihr vor allem beachten”, sagte K. dann wieder sitzend. “Ihr dürft mit niemandem ohne meine Erlaubnis sprechen. Ich bin hier ein Fremder, und wenn ihr meine alten Gehilfen seid, dann seid auch ihr Fremde. Wir drei Fremden müssen deshalb zusammenhalten, reicht mir daraufhin eure Hände.” Allzu bereitwillig streckten sie K. entgegen. “Laßt euch die Pratzen”, sagte er, “mein Befehl aber gilt. Ich werde jetzt schlafen gehen und auch euch rate ich, das zu tun. Heute haben wir einen Arbeitstag versäumt, morgen muß die Arbeit sehr frühzeitig beginnen. Ihr müßt einen Schlitten zur Fahrt ins Schloß verschaffen und um sechs Uhr hier vor dem Haus mit ihm bereitstehen.” – “Gut”, sagte der eine. Der andere aber fuhr dazwischen: “Du sagst: Gut, und weißt doch, daß es unmöglich ist.” – “Ruhe”, sagte K., “ihr wollt wohl anfangen, euch voneinander zu unterscheiden.” Doch nun sagte auch schon der erste: “Er hat recht, es ist unmöglich, ohne Erlaubnis darf kein Fremder ins Schloß.” – “Wo muß man um die Erlaubnis ansuchen?” – “Ich weiß nicht, vielleicht beim Kastellan.” – “Dann werden wir dort telefonisch ansuchen, telefoniert sofort an den Kastellan, beide!” Sie liefen zum Apparat, erlangten die Verbindung – wie sie sich dort drängten! Im Äußerlichen waren sie lächerlich folgsam – und fragten, ob K. mit ihnen morgen ins Schloß kommen dürfe. Das “Nein!” der Antwort hörte K. bis zu seinem Tisch. Die Antwort war aber noch ausführlicher, sie lautete: “Weder morgen noch ein andermal.” – “Ich werde selbst telefonieren”, sagte K. und stand auf. Während K. und seine Gehilfen bisher, abgesehen von dem Zwischenfall des einen Bauern, wenig beachtet worden waren, erregte seine letzte Bemerkung allgemeine Aufmerksamkeit. Alle erhoben sich mit K., und obwohl sie der Wirt zurückzudrängen suchte, gruppierten sie sich beim Apparat in engem Halbkreis um ihn. Es überwog bei ihnen die Meinung, daß K. gar keine Antwort bekommen werde. K. mußte sie bitten, ruhig zu sein, er verlange nicht, ihre Meinungen zu hören.

Aus der Hörmuschel kam ein Summen, wie K. es sonst beim Telefonieren nie gehört hatte. Es war, wie wenn sich aus dem Summen zahlloser kindlicher Stimmen – aber auch dieses Summen war keines, sondern war Gesang fernster, allerfernster Stimmen –, wie wenn sich aus diesem Summen in einer geradezu unmöglichen Weise eine einzige hohe, aber starke Stimme bilde, die an das Ohr schlug, so, wie wenn sie fordere, tiefer einzudringen als nur in das armselige Gehör. K. horchte, ohne zu telefonieren, den linken Arm hatte er auf das Telefonpult gestützt und horchte so.

Er wußte nicht wie lange; so lange, bis ihn der Wirt am Rock zupfte, ein Bote sei für ihn gekommen. “Weg!” schrie K. unbeherrscht, vielleicht in das Telefon hinein, denn nun meldete sich jemand. Es entwickelte sich folgendes Gespräch: “Hier Oswald, wer dort?” rief es, eine strenge, hochmütige Stimme, mit einem kleinen Sprachfehler, wie es K. schien, den sie über sich selbst hinaus

Seiten