Ungekürztes Werk "Das Schloß" von Franz Kafka (Seite 170)
sein. Aber im Ausschank, da ist es etwas anderes. Ich bin auch gleich wieder für den Ausschank aufgenommen worden, obwohl ich ihn damals nicht sehr ehrenvoll verlassen habe; freilich hatte ich jetzt Protektion. Aber der Wirt war glücklich, daß ich Protektion hatte und es ihm deshalb leicht möglich war, mich wieder aufzunehmen. Es war sogar so, daß man mich drängen mußte, den Posten anzunehmen; wenn du bedenkst, woran mich der Ausschank erinnert, wirst du es begreifen. Schließlich habe ich den Posten angenommen. Hier bin ich nur aushilfsweise. Pepi hat gebeten, ihr nicht die Schande anzutun, sofort den Ausschank verlassen zu müssen, wir haben ihr deshalb, weil sie doch fleißig gewesen ist und alles so besorgt hat, wie es nur ihre Fähigkeiten erlaubt haben, eine vierundzwanzigstündige Frist gegeben.” – “Das ist alles sehr gut eingerichtet”, sagte K., “nur hast du einmal meinetwegen den Ausschank verlassen; und nun, da wir kurz vor der Hochzeit sind, kehrst du wieder in ihn zurück?” – “Es wird keine Hochzeit geben”, sagte Frieda. “Weil ich untreu war?” fragte K.; Frieda nickte. “Nun sieh, Frieda”, sagte K., “über diese angebliche Untreue haben wir schon öfters gesprochen, und immer hast du schließlich einsehen müssen, daß es ein ungerechter Verdacht war. Seitdem aber hat sich auf meiner Seite nichts geändert, alles ist unschuldig geblieben, wie es war und wie es nicht anders werden kann. Also muß sich etwas auf deiner Seite geändert haben, durch fremde Einflüsterungen oder etwas anderes. Unrecht tust du mir auf jeden Fall; denn sieh, wie verhält es sich mit diesen zwei Mädchen? Die eine, die dunkle – ich schäme mich fast, mich so im einzelnen verteidigen zu müssen, aber du forderst es heraus –, die dunkle also ist mir wahrscheinlich nicht weniger peinlich als dir; wenn ich mich nur irgendwie von ihr fernhalten kann, tue ich es, und sie erleichtert das ja auch, man kann nicht zurückhaltender sein, als sie es ist.” – “Ja”, rief Frieda aus, die Worte kamen ihr wie gegen ihren Willen hervor, K. war froh, sie so abgelenkt zu sehen; sie war anders, als sie sein wollte, “die magst du für zurückhaltend ansehen, die Schamloseste von allen nennst du zurückhaltend, und du meinst es, so unglaubwürdig es ist, ehrlich, du verstellst dich nicht, das weiß ich. Die Brückenhofwirtin sagt von dir: ‚Leiden kann ich ihn nicht, aber verlassen kann ich ihn auch nicht, man kann doch auch beim Anblick eines kleinen Kindes, das noch nicht gut gehen kann und sich weit vorwagt, unmöglich sich beherrschen; man muß eingreifen.‘” – “Nimm diesmal ihre Lehre an”, sagte K. lächelnd, “aber jenes Mädchen – ob es zurückhaltend oder schamlos ist, können wir beiseitelassen –, ich will von ihm nichts wissen.” – “Aber warum nennst du sie zurückhaltend?” fragte Frieda unnachgiebig. K. hielt diese Teilnahme für ein ihm günstiges Zeichen. “Hast du es erprobt oder willst du andere dadurch herabsetzen?” – “Weder das eine noch das andere”, sagte K., “ich nenne sie so aus Dankbarkeit, weil sie es mir leicht macht, sie zu übersehen, und