Ungekürztes Werk "Das Schloß" von Franz Kafka (Seite 179)

muß Sie aber nicht gar so betrüben, das ist mein persönliches Unglück. Warum sind auch die Türen hier unversperrbar, nicht? Das hat freilich seinen Grund. Weil nach einem alten Spruch die Türen der Sekretäre immer offen sein sollen. Aber so wörtlich müßte auch das allerdings nicht genommen werden.” Bürgel sah K. fragend und fröhlich an, im Gegensatz zu seiner Klage schien er recht wohl ausgeruht; so müde, wie K. jetzt, war Bürgel wohl noch überhaupt nie gewesen. “Wohin wollen Sie denn jetzt gehen?” fragte Bürgel. “Es ist vier Uhr. Jeden, zu dem Sie gehen wollten, müßten Sie wecken, nicht jeder ist an Störungen so gewöhnt wie ich, nicht jeder wird es so geduldig hinnehmen, die Sekretäre sind ein nervöses Volk. Bleiben Sie also ein Weilchen. Gegen fünf Uhr beginnt man hier aufzustehen, dann werden Sie am besten Ihrer Vorladung entsprechen können. Lassen Sie, bitte, also endlich die Klinke los und setzen Sie sich irgendwohin, der Platz ist hier freilich beengt, am besten wird es sein, wenn Sie sich hier auf den Bettrand setzen. Sie wundern sich, daß ich weder Sessel noch Tisch hier habe? Nun, ich hatte die Wahl, entweder eine vollständige Zimmereinrichtung mit einem schmalen Hotelbett zu bekommen oder dieses große Bett und sonst nichts als den Waschtisch. Ich habe das große Bett gewählt, in einem Schlafzimmer ist doch wohl das Bett die Hauptsache! Ach, wer sich ausstrecken und gut schlafen könnte, dieses Bett müßte für einen guten Schläfer wahrhaft köstlich sein. Aber auch mir, der ich immerfort müde bin, ohne schlafen zu können, tut es wohl, ich verbringe darin einen großen Teil des Tages, erledige darin alle Korrespondenzen, führe hier die Parteieinvernahmen aus. Es geht recht gut. Die Parteien haben allerdings keinen Platz zum Sitzen, aber das verschmerzen sie, es ist doch auch für sie angenehmer, wenn sie stehen und der Protokollist sich wohl fühlt, als wenn sie bequem sitzen und dabei angeschnauzt werden. Dann habe ich nur noch diesen Platz am Bettrand zu vergeben, aber das ist kein Amtsplatz und nur für nächtliche Unterhaltungen bestimmt. Aber sie sind so still, Herr Landvermesser?” – “ich bin sehr müde”, sagte K., der sich auf die Aufforderung hin sofort, grob, ohne Respekt, aufs Bett gesetzt und an den Pfosten gelehnt hatte. “Natürlich”, sagte Bürgel lachend, “hier ist jeder müde. Es ist zum Beispiel keine kleine Arbeit, die ich gestern und auch heute schon geleistet habe. Es ist ja völlig ausgeschlossen, daß ich jetzt einschlafe, wenn aber doch dieses Allerunwahrscheinlichste geschehen und ich noch, solange Sie hier sind, einschlafen sollte, dann, bitte, halten Sie sich still und machen Sie auch die Tür nicht auf. Aber keine Angst, ich schlafe gewiß nicht ein und günstigenfalls nur für ein paar Minuten. Es verhält sich nämlich mit mir so, daß ich, wahrscheinlich weil ich an Parteienverkehr so sehr gewöhnt bin, immerhin noch am leichtesten einschlafe, wenn ich Gesellschaft habe.” – “Schlafen Sie nur, bitte, Herr Sekretär”, sagte K., erfreut von dieser Ankündigung, “ich werde dann, wenn Sie erlauben, auch ein wenig schlafen.” – “Nein,

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