Ungekürztes Werk "Das Schloß" von Franz Kafka (Seite 51)
hier allerdings gewisse Erwägungen nötig, und ich werde darüber im Schloß berichten. Sollte eine Entscheidung kommen oder sollte es vorher nötig werden, Sie noch einmal zu verhören, werde ich Sie holen lassen. Sind Sie damit einverstanden?”
“Nein, gar nicht”, sagte K., “ich will keine Gnadengeschenke vom Schloß, sondern mein Recht.”
“Mizzi”, sagte der Vorsteher zu seiner Frau, die noch immer an ihn gedrückt dasaß und traum verloren mit Klamms Brief spielte, aus dem sie ein Schiffchen geformt hatte, erschrocken nahm es ihr K. jetzt fort. “Mizzi, das Bein fängt mich wieder sehr zu schmerzen an, wir werden den Umschlag erneuern müssen.”
K. erhob sich. “Dann werde ich mich also empfehlen”, sagte er. “Ja”, sagte Mizzi, die schon eine Salbe zurechtmachte, “es zieht auch zu stark.” K. wandte sich um; die Gehilfen hatten, in ihrem immer unpassenden Diensteifer, gleich auf K.s Bemerkung hin beide Türflügel geöffnet. K. konnte, um das Krankenzimmer vor der mächtig eindringenden Kälte zu bewahren, nur flüchtig vor dem Vorsteher sich verbeugen. Dann lief er, die Gehilfen mit sich reißend, aus dem Zimmer und schloß schnell die Tür.
Das sechste Kapitel
Vor dem Wirtshaus erwartete ihn der Wirt. Ohne gefragt zu werden, hätte er nicht zu sprechen gewagt, deshalb fragte ihn K., was er wolle. “Hast du schon eine neue Wohnung?” fragte der Wirt, zu Boden sehend. “Du fragst im Auftrage deiner Frau”, sagte K., “du bist wohl sehr abhängig von ihr?” – “Nein”, sagte der Wirt, “ich frage nicht in ihrem Auftrag. Aber sie ist sehr aufgeregt und unglücklich deinetwegen, kann nicht arbeiten, liegt im Bett und seufzt und klagt fortwährend.” – “Soll ich zu ihr gehen?” fragte K. “Ich bitte dich darum”, sagte der Wirt, “ich wollte dich schon vom Vorsteher holen, horchte dort an der Tür, aber ihr wart im Gespräch, ich wollte nicht stören, auch hatte ich Sorge wegen meiner Frau, lief wieder zurück, sie ließ mich aber nicht zu sich, so blieb mir nichts übrig, als auf dich zu warten.” – “Dann komm also schnell”, sagte K., “ich werde sie bald beruhigen.” – “Wenn es nur gelingen wollte”, sagte der Wirt.
Sie gingen durch die lichte Küche, wo drei oder vier Mägde, jede weit von der anderen, bei ihrer zufälligen Arbeit im Anblick K.s förmlich erstarrten. Schon in der Küche hörte man das Seufzen der Wirtin. Sie lag in einem durch eine leichte Bretterwand von der Küche abgetrennten, fensterlosen Verschlag. Er hatte nur Raum für ein großes Ehebett und einen Schrank. Das Bett war so aufgestellt, daß man von ihm aus die ganze Küche übersehen und die Arbeit beaufsichtigen konnte. Dagegen war von der Küche aus im Verschlag kaum etwas zu sehen. Dort war es ganz finster, nur das weiß-rote Bettzeug schimmerte ein wenig hervor. Erst wenn man eingetreten war und die Augen sich eingewöhnt hatten, unterschied man Einzelheiten.
“Endlich kommen Sie”, sagte die Wirtin schwach. Sie lag auf dem Rücken ausgestreckt, der Atem machte ihr offenbar Beschwerden, sie hatte das Federbett zurückgeworfen. Sie sah im Bett viel jünger aus als in den Kleidern, aber ein Nachthäubchen aus zartem