Ungekürztes Werk "Das Schloß" von Franz Kafka (Seite 66)
der merkte, daß nun K. für ihn nicht mehr zu sprechen war, fragte Frieda, wann sie in die Schule einziehen würden. “Heute”, sagte Frieda. “Dann komme ich morgen früh revidieren”, sagte der Lehrer, grüßte durch Handwinken, wollte durch die Tür, die Frieda für sich geöffnet hatte, hinausgehen, stieß aber mit den Mägden zusammen, die schon mit ihren Sachen kamen, um sich im Zimmer wieder einzurichten. Er mußte zwischen ihnen, die vor niemandem zurückgewichen wären, durchschlüpfen, Frieda folgte ihm. “Ihr habt es aber eilig”, sagte K., der diesmal sehr zufrieden mit ihnen war, “wir sind noch hier, und ihr müßt schon einrücken?” Sie antworteten nicht und drehten nur verlegen ihre Bündel, aus denen K. die wohlbekannten schmutzigen Fetzen hervorhängen sah. “Ihr habt wohl euere Sachen noch niemals gewaschen”, sagte K., es war nicht böse, sondern mit einer gewissen Zuneigung gesagt. Sie merkten es, öffneten gleichzeitig ihren harten Mund, zeigten die schönen, starken, tiermäßigen Zähne und lachten lautlos. “Nun kommt”, sagte K., “richtet euch ein, es ist ja euer Zimmer.” Als sie aber noch immer zögerten – ihr Zimmer schien ihnen wohl allzusehr verwandelt –, nahm K. eine beim Arm, um sie weiterzuführen. Aber er ließ sie gleich los, so erstaunt war beider Blick, den sie, nach einer kurzen gegenseitigen Verständigung, nun nicht mehr von K. wandten. “Jetzt habt ihr mich aber lange genug angesehen”, sagte K., irgendein unangenehmes Gefühl abwehrend, nahm Kleider und Stiefel, die eben Frieda, schüchtern von den Gehilfen gefolgt, gebracht hatte, und zog sich an. Unbegreiflich war ihm immer, und jetzt wieder, die Geduld, die Frieda mit den Gehilfen hatte. Sie hatte sie, die doch die Kleider im Hof hätten putzen sollen, nach längerem Suchen friedlich unten beim Mittagessen gefunden, die ungeputzten Kleider vor sich zusammengepreßt auf dem Schoß, sie hatte dann selbst alles putzen müssen; und doch zankte sie, die gemeines Volk gut zu beherrschen wußte, gar nicht mit ihnen, erzählte überdies in ihrer Gegenwart von ihrer großen Nachlässigkeit wie von einem kleinen Scherz und klopfte gar noch dem einen leicht, wie schmeichelnd, auf die Wange. K. wollte ihr nächstens darüber Vorhaltungen machen. Jetzt aber war es höchste Zeit, wegzugehen. “Die Gehilfen bleiben hier, dir bei der Übersiedlung zu helfen”, sagte K. Sie waren allerdings nicht damit einverstanden; satt und fröhlich, wie sie waren, hätten sie sich gern ein wenig Bewegung gemacht. Erst als Frieda sagte: “Gewiß, ihr bleibt hier”, fügten sie sich. “Weißt du, wohin ich gehe?” fragte K. “Ja”, sagte Frieda. “Und du hältst mich also nicht mehr zurück?” fragte K. “Du wirst so viele Hindernisse finden”, sagte sie, “was würde da mein Wort bedeuten!” Sie küßte K. zum Abschied, gab ihm, da er nicht zu Mittag gegessen hatte, ein Päckchen mit Brot und Wurst, das sie von unten für ihn mitgebracht hatte, erinnerte ihn daran, daß er dann nicht mehr hierher, sondern gleich in die Schule kommen solle, und begleitete ihn, die Hand auf seiner Schulter, bis vor die Tür hinaus.
Das achte Kapitel
Zunächst war K. froh, dem Gedränge der Mägde und Gehilfen in