Ungekürztes Werk "Der Prozeß" von Franz Kafka (Seite 68)
wenig an ihn.” “Das ist nicht der Fehler, den Sie machen”, sagte Leni, “Sie sind zu unnachgiebig, so habe ich es gehört.” “Wer hat das gesagt?” fragte K., erfühlte ihren Körper an seiner Brust und sah auf ihr reiches, dunkles, fest gedrehtes Harr hinab. “Ich würde zuviel verraten, wenn ich das sagte”, antwortete Leni. “Fragen Sie, bitte, nicht nach Namen, stellen Sie aber Ihren Fehler ab, seien Sie nicht mehr so unnachgiebig, gegen dieses Gericht kann man sich ja nicht wehren, man muß das Geständnis machen. Machen Sie doch bei nächster Gelegenheit das Geständnis. Erst dann ist die Möglichkeit zu entschlüpfen gegeben, erst dann. Jedoch selbst das ist ohne fremde Hilfe nicht möglich, wegen dieser Hilfe aber müssen Sie sich nicht ängstigen, die will ich Ihnen selbst leisten.” “Sie verstehen viel von diesem Gericht und von den Betrügereien, die hier nötig sind”, sagte K. und hob sie, da sie sich allzu stark an ihn drängte, auf seinen Schoß. “So ist es gut”, sagte sie und richtete sich auf seinem Schoß ein, indem sie den Rock glättete und die Bluse zurechtzog. Dann hing sie sich mit beiden Händen an seinen Hals, lehnte sich zurück und sah ihn lange an. “Und wenn ich das Geständnis nicht mache, dann können Sir mir nicht helfen?” fragte K. versuchsweise. Ich werbe Helferinnen, dachte er fast verwundert, zuerst Fräulein Bürstner, dann die Frau des Gerichtsdieners und endlich diese kleine Pflegerin, die ein unbegreifliches Bedürfnis nach mir zu haben scheint. Wie sie auf meinem Schoß sitzt, als sei es ihr einzig richtiger Platz! “Nein”, antwortete Leni und schüttelte langsam den Kopf, “dann kann ich Ihnen nicht helfen. Aber Sie wollen ja meine Hilfe gar nicht, es liegt Ihnen nichts daran, Sie sind eigensinnig und lassen sich nicht überzeugen.” “Haben Sie eine Geliebte?” fragte sie nach einem Weilchen. “Nein”, sagte K. “O doch”, sagte sie. “Ja wirklich”, sagte K., “denken Sie nur, ich habe sie verleugnet und trage doch sogar ihre Photographie bei mir.” Auf ihre Bitten zeigte er ihr eine Photographie Elsas, zusammengekrümmt auf seinem Schoß, studierte sie das Bild. Es war eine Momentphotographie, Elsa war nach einem Wirbeltanz aufgenommen, wie sie ihn in dem Weinlokal gern tanzte, ihr Rock flog noch im Faltenwurf der Drehung um sie her, die Hände hatte sie auf die festen Hüften gelegt und sah mit straffem Hals lachend zur Seite; wem ihr Lachen galt, konnte man aus dem Bild nicht erkennen. “Sie ist stark geschnürt”, sagte Leni und zeigte auf die Stelle, wo dies ihrer Meinung nach zu sehen war. “Sie gefällt mir nicht, sie ist unbeholfen und roh. Vielleicht ist sie aber Ihnen gegenüber sanft und freundlich, darauf könnte man nach dem Bilde schließen. So große, starke Mädchen wissen oft nichts anderes, als sanft und freundlich zu sein. Würde sie sich aber für Sie opfern können?” “Nein”, sagte K., “sie ist weder sanft und freundlich, noch würde sie sich für mich opfern können. Auch habe ich bisher weder das eine noch das andere von ihr verlangt. Ja, ich habe noch