Ungekürztes Werk "Der Schuß von der Kanzel" von Conrad Ferdinand Meyer (Seite 258)

Er schleuderte ihn dem Mönch ins Gesicht, hätte ihm nicht eine Machtgebärde des Tyrannen Halt geboten.

›Sohn, willst du den öffentlichen Frieden brechen?‹ mahnte jetzt auch der alte Pizzaguerra. ›Mein gegebenes Wort enthält und verbürgt auch das deinige. Gehorche! Bei meinem Fluche! Bei deiner Enterbung!‹ drohte er.

Germano lachte. ›Kümmert Euch um Eure schmutzigen Hände, Vater!‹ warf er verächtlich hin. ›Doch auch du, Ezzelin, Herr von Padua, darfst es mir nicht verwehren! Es ist Mannesrecht und Privatsache. Verweigerte ich dem Kaiser und dir, seinem Vogte, den Gehorsam, so enthaupte mich; aber du hinderst mich nicht, gerecht wie du bist, diesen Mönch zu erwürgen, der meine Schwester geäfft und mich beheuchelt hat. Wäre Untreue straflos, wer möchte leben? Es ist des Platzes auf der Erde zu wenig für den Mönch und mich. Das wird er selbst begreifen, wenn er wieder zu Sinnen kommt.‹

›Germano‹, gebot Ezzelin, ›ich bin dein Kriegsherr. Morgen vielleicht ruft die Tuba. Du bist nicht dein ­eigen, du gehörst dem Reich! ‹

Germano erwiderte nichts. Er befestigte den Handschuh. ›Vorzeiten‹, sagte er dann, ›unter den blinden Heiden gab es eine Gottheit, welche gebrochene Treue rächte. Das wird sich mit dem Glockengeläute nicht geändert haben. Ihr befehle ich meine Sache!‹ Rasch erhob er die Hand.

›So steht es gut‹, lächelte Ezzelin. ›Heute abend wird im Palaste Vicedomini Hochzeit gefeiert, ganz wie gebräuchlich. Ich gebe das Fest und lade euch ein, Germano und Diana. Ungepanzert, Germano! Mit kurzem Schwerte!‹

›Grausamer!‹ stöhnte der Krieger. ›Kommt, Vater! Wie möget Ihr länger das Schauspiel unserer Schande sein?‹ Er riß den Alten mit sich fort.

›Und du, Diana?‹ fragte Ezzelin, da er vor seinem Stuhle nur noch diese und die Neuvermählten sah. ›Begleitest du nicht Vater und Bruder?‹

›Wenn du es gestattest, Herr‹, sagte sie, ›habe ich ein Wort mit der Vicedomini zu reden.‹ An dem Mönche vorüber blickte sie fest auf Antiope.

Diese, deren Hand Astorre nicht losgab, hatte an dem Gerichte des Tyrannen einen leidenden aber tief erregten Anteil genommen. Bald errötete das liebende Weib. Bald entfärbte sich eine Schuldige, die unter dem Lächeln und der Gnade Ezzelins sein wahres und ein sie verdammendes Urteil entdeckte. Bald jubelte ein der Strafe entwischtes Kind. Bald regte sich das erste Selbstgefühl der jungen Herrin, der neuen Vicedomini. Jetzt, von Diana ins Gesicht angeredet, warf sie ihr scheue und feindselige Blicke entgegen.

Diese ließ sich nicht beirren. ›Schau her, Antiope!‹ sagte sie. ›Hier mein Finger‹ – sie streckte ihn – ›trägt den Ring deines Gatten. Den darfst du nicht vergessen. Ich bin nicht abergläubischer als andere, aber an deiner Stelle wär mir schlimm zumute! Schwer hast du dich an mir versündigt, doch ich will gut und milde sein. Heute abend feierst du Hochzeit mit Masken nach den Gebräuchen. Ich werde dir erscheinen. Komme reuig und demütig und ziehe mir den Ring vom Finger!‹

Antiope stieß einen Schrei der Angst aus und klammerte sich an ihren Gatten. Dann, in seinen Armen geborgen, redete sie stürmisch: ›Ich soll mich erniedrigen? Was befiehlst du, Astorre? Meine Ehre ist deine Ehre! Ich bin nichts mehr als dein Eigentum, dein Herzklopfen,

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