Ungekürztes Werk "Mozart auf der Reise nach Prag" von Eduard Mörike (Seite 141)

eine so herrliche Weise als sonst vielleicht kein anderes. Da sie es noch einmal von vorn anfingen, stand er still und horchte hinter einer Beuge Faßholz stille zu.

»Ufam* Kirchhof, am Chor,

Blüeht a Blo-Holder-Strauß*

Do fleugt a weiß Täuble,

Vor's* taga tuet, aus.

Es streicht wohl a Gässale

Nieder und zwua

Es fliegt mer ins Fenster,

Es kommt uf mi zua.

Jetzt kenn' i mein Schatz

Und sei linneweiß G'wand

Und sei silberes Ringle

Von mir an der Hand.

Es nickt mer en Grueß,

Setzt se nieder am Bett,

Frei luegt mer's ins G'sicht

Aber aurüehrt me's net.

Drei Wocha vor Ostra

Wann's Nachthüehle* schreit,

Do macha mer Hochzig,

Mei Schatz hot mer's g'sait.

Mer macha kein Lebtag,

Mer halta kein Tanz.

Wer goht mit zur Kircha?

Wer flicht mer da Kranz?«

In währendem Zuhören dachte der Seppe: Die wird sich auch wohl wundern, wenn sie hört, ich sei bei Nacht und Nebel fort als wie ein Dieb! und dachte ferner: Wenn diese Gundel deine Liebste hätte werden sollen und wär' dir heut gestorben, ob du jetzt übler dran wärest denn so oder besser? Er wußte in der Kürze sich selbst keinen Bescheid darauf, stöhnte nur tief aus der Brust und ging weiter.

Beim Haus der Witwe angekommen, drehte er den Schlüssel in der Tür, so leis er konnte, um, schlich auf den Zehen an ihrer Schlafkammer vorbei, kam in die seinige, von den Gesellen unberufen, und packte seine Sachen ein, nachdem er erst die guten Kleider aus- und andere angezogen, auch mit herzlicher Reue des Hutzelmanns Schuhe, die es so gut mit ihm gemeint, unter dem Stein hervorgenommen und sie nach langer Zeit das erstemal wieder an die Füße getan.

Und also schied er auf zeitlebens aus dem Haus, darin er sich vor wenig Stunden noch als wie in seinem Eigentum vergnüglich umgeschaut hatte. Er kam an das Liebfrauentor und schellte dem Wächter; der ließ ihn hinaus und war der einzige Mensch in ganz Ulm, welcher ihm Glück auf die Reise gewünscht.

Als er so in der Nacht, auf trockener Landstraße und bei gelinder Luft, nicht völlig eine halbe Stunde weit gewandert war, so regte sich sein Linker allbereits mit Jucken, Treten, Hopsen und sonst viel Ungebühr. »So«, rief der Seppe grimmig, »moinst, dia Gugelfuahr gang wieder an*? I will d'r beizeit d'rfür tua!«, saß nieder, riß den linken ab und faßte auch den rechten – da fiel ihm ein: den könntst du anbehalten: mit einem Fuß im Glück ist besser denn mit keinem; zog also einen Stiefel an zum andern Schuh, probiert' es eine Strecke, und wahrlich, es tat gut.

In seinem Innern aber, so arg es auch darin noch durcheinanderging, daß ihm das Heulen näher als das Pfeifen lag, so gab er sich doch selbst schon kühnlicheren Zuspruch mit Vernunft, nahm sein versehrtes Herz, drückt' es, gleich wie die Hausfrauen pflegen mit einem zertretenen Hühnlein zu tun, in sanften Händen wieder zurecht, und endlich ging sein Trost und letzter Schluß dahin, wie sein Vetter als sagte: »Es hat nur drei gute Weiber gegeben: die eine ist im Bad ersoffen, die ander ist aus der Welt geloffen, die dritte sucht man noch.«

Unweit Gerhausen kam schon allgemach

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