Ungekürztes Werk "Mozart auf der Reise nach Prag" von Eduard Mörike (Seite 144)

Gesicht nach dem Flecken gekehrt. Das Bürschlein hatte Gähnaffen* feil, weil seine Meistersleute nicht daheim, oder paßte es auf eine hübsche Dirne, sah und hörte deshalb weiter nichts.

»Wohl bei der Heck', du Laff!« sagte der Seppe frohlockend vor sich, indem er risch seitab der Straße sprang, »jetzt will ich dir den Plirum geigen*!«, warf seinen Ranzen linksherum, lief eilig zu und stand unsichtbar auf dem Wasen*, ein Dutzend Schritte hinter dem Färber. Geschwind besann er sich, was er zuerst beginne, trat an das Lattenwerk, zog wie der Blitz einen trockenen Streif des roten Zeugs herab und breitete denselben glatt aufs Gras; alsdann stellte er sich in leibhaftiger Gestalt, ohne Willkomm und Gruß, nicht in Gutem noch Bösem, ganz dichte vor den Färber hin. Der, seinen Feind erkennend, macht' ein Gesicht als wie der Esel, wenn er Teig gefressen hat; und plötzlich wollte er auf und davon. Der Schuster aber hatt' ihn schon gefaßt – kein Schraubstock zwängt ein Werkholz fester, denn unser Geselle das Büblein hielt bei seinen zween Armstecken. Er hieß ihn stille schweigen, so wolle er ihm aus Barmherzigkeit an seinem Leib nichts tun; nahm ihn sodann gelinde, legt' ihn aufs eine Tuchend' überzwerch, drückt' ihm die Ellenbogen grad am Leib und wergelt' ihn mit Händen geschickt im Tuch hinab, wie man ein Mangholz wälzet, daß er schön glatt gewickelt war bis an das Kinn. Drauf band er ihm ein grünes Band, das er auch von der Latte gezogen, kreuzweis von unten bis hinauf und knüpft's ihm auf der Brust mit einer schönen Schlaufe. Nach allem diesem aber nahm und trug er ihn, nicht anders als ein Pfätschenkind dahingetragen wird, auf seinen Armen weg (in deren einem er den Wanderstock am Riemen hangen hatte). Weil er jedoch bei diesem ganzen Vornehmen das Lot links trug und weil der Krackenzahn mehr nicht kann ungesehen machen, als das zum Mann gehört, so war es wunderbarlich, ja grausig, fremd und lustig gleichermaßen anzusehn, wie auf der breiten Straße, mitteninne, ein gesunder Knab, wie Milch und Blut, mit schwarzem Kräuselhaar, in Wickelkindsgestalt frei in der Luft herschwebete und schrie.

Das Volk lief zu aus allen Gassen, ein jedes lacht' und jammerte in einem Atem, die Weiblein schrien Mirakel und: »Hilf Gott! es ist des Färbers Knab', der Vite! Springt ihm denn keiner bei von euch Mannsnamen?« Doch niemand traute sich hinzu.

Da fing der Seppe an, sangweis mit heller Stimme:

»Scheraschleifer, wetz, wetz, wetz,

Laß dei Rädle schnurra!

Stuagart ist a grauße Stadt

Lauft ansbach dura

Und als das Kind sich ungebärdig stellte, schwang er's und flaigert's hin und her und sang:

»Färbersbüable, schrei net so,

Mach mer keine Mändla!

D' Büasinger mit zwanzig Johr

Trait mer* en de Wendla.

Heisasa! Hopsasa!

Wia de kleine Kendla

Die Leute fanden ihrem Staunen, Schrecken, Dattern* und Zagen nicht Worte noch Gebärden mehr. Eins schob und stieß und drängte nur das andere dem Abenteuer immer nach oder voraus. Bei dem Gemeindhaus aber schwenkte sich der Seppe seitwärts nach dem Kirchplatz unversehens, daß alles vor ihm schreiend auseinanderfuhr.

Dort, mitten auf dem Platz, sah man den Vite sänftlich an die

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