Ungekürztes Werk "Mozart auf der Reise nach Prag" von Eduard Mörike (Seite 146)

Der Seppe wollte nicht, bekannte auch, daß er Gelds ohne sei; allein da hieß es: »Schuster! dein Schnappsack hat ein leidlich Gewicht, und Stein' hast du keinswegs darin, wenn aber, so sei uns ein ehrlicher Schuldner.« So gab er endlich nach und nahm sein Spiel vor sich. Wetter! wie paßten gleich die Kerl' da auf! Was er nur zog und hinwarf, allemal die besten Stiche! Jetzt wurden seine Sinne hell und wach zumal, er dachte: hei, da springt ein Wandergeld heraus! Das erste Spiel gewonnen, das zweite desgleichen. Beim dritten und beim vierten zog er heimlich den Schuh aus unter dem Tisch, daß es nicht merklich würde, und verspielt's damit hintereinander, doch brachte er es vier- und sechsfach wieder ein, und pünktlich machte einer jedesmal die Striche auf die Tafel, daß man's nachher zusammenrechnen könne. Es war ihm über einen Gulden gutgeschrieben, und als den andern endlich so die Lust verging, war es ihm eben recht, und legte er sich noch ein Stündlein nieder. Da fiel der Schlaf auch bald auf ihn als wie ein Maltersack, doch ohne Letzung. Er war mit seinem Geist in Ulm und träumte nur von Greuel, Gift und peinlichem Gericht. Ein Mahljung', welcher durch das Stüblein lief, vernahm von ungefähr, wie er im Schlaf die Worte redete: »Fürn Galgen hilft kein Goller und fürs Kopfweh kein Kranz!«, ging hin und hinterbracht's den Knechten; die kamen Juxes halber und standen um den Schlafenden, sein bitterlich Gesicht bescherzend. Auch nestelten sie ihm den Ranzen auf, aus Fürwitz, was er Schatzwerts darin habe, zogen das schwere Blei heraus und lachten ob des Knaben Einfalt solchermaßen, daß ihnen gleich das Schiedfell* hätte platzen mögen. »Tropf!« sprach der eine, »hast du sonst nichts gestohlen, darum springt dir der Strick nicht nach!«, und packten's ihm wieder säuberlich ein.

Als nun der Seppe endlich am lichten Tag erwacht war, gürtete er sich gleich, nahm Hut und Stock und fand die beiden Spielgesellen in der Mühle am Geschäft. Er hätte gern sein Geld gehabt, wenn es auch nur die Hälfte oder ein Drittel sein sollte. Sie aber lachend, mit Faxen* und Zeichen, bedeuteten ihm, sie verstünden nicht über dem Lärm, was er wolle, und hätten unmöglich der Zeit. Nun sah er wohl, er sei betrogen, kehrte den seellosen* Schelmen den Rücken und ging hinauf, dem Müller seinen schuldigen Dank abzustatten. Dort in der Küche gab man ihm noch einen glatt geschmälzten Hirsenbrei; damit im Leibe wohl verwarmt, zog er zum Tor hinaus und über die Brücke, dann rechts Oberensingen zu. Gern hätte er zuvor den Herbergvater in der Stadt um eine Wegspend' angegangen, er traute aber nicht, weil er in Ulm sich keinen Abschied in sein Büchlein hatte schreiben lassen.

Auf dem Berg, wo der Wolfschluger Wald anfangt, sah man damals auf einem freien Platz ein Paar uralte Lindenbäume, ein offen Bethäuslein dabei, samt etlichen Ruhbänken. Allhie beschaute sich der Seppe noch einmal die ausgestreckte blaue Alb, den Breitenstein, den Teckberg mit der großen Burg der Herzoge, so einer Stadt beinah gleichkam, und Hohenneuffen, dessen

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