Ungekürztes Werk "Galgenlieder" von Christian Morgenstern (Seite 2)

der fünfte Gur­geljochem: der schor den Lebensfaden durch; der sechste Spinna, das Gespenst: der schlug zwölf; der siebente Stummer Hannes, der Büchner zubenannt: der sang Fisches Nachtgesang, und der achte Fahe­rügghh, mit dem Beinamen der Unselm: der konnte das Simmaleins und sprach das große Lalula. Und es wurde das Knochenklavier geschaffen und der Geläch­tertrab und die Elementarsymphonie und der Hucke­pack d'Albert und der Eulenvier­tanz und der Galgen­schlenkerer und Sophie, die Henkersmaid, als Symbild von der Weisheit unverweslichem Begriff.«

Und nun endet Jeremias – ende denn auch ich hier dies mein Ad- und Conscribonium – mit der kata­raktnen Coda folgender Betrachtung und Erachtung: »Ein modulationsfähiger Keim.

Und in der Tat, wenn irgendwo, wenn irgendwann, mußte gerade damals und gerade bei denjenigen Kräf­ten der Volksseele, in denen das Herz der vom Geist der neuen Zeit am wunderlichsten beeindruckten Un­vor­ein­ge­nom­menheit des Natürlichen am zukunfts­wetterschwangervollsten pochte, ein besonders ab­welthafter Rückschlag wider das Gesetz in der Vernunft von seiten mehr exzös gerichteter Seelen erfolgen und damit ein Beweisschatten mehr geworfen werden, daß keine Zeit, so dunkel sie auch sich und in sich selber sei, indem sie ›ihr Herze offenbart‹, mit all den Wi­dersprüchen, Knäueln, Gräueln, Grund- und Kraftsup­pen ihres Wesens, als Schwan zuletzt mit Rosenfin­gern über den Horizont ihres eigenen Chaos – und sei es auch nur als ein Wesenstel ihrer selbst, und sei es auch nur mit der lächelndsten Träne im Wappen – em­por­zu­stei­gen sich zu entbrechen den Mut, was sage ich, die Verruchtheit hat.

Es darf daher getrost, was auch von allen, deren Sinne, weil sie unter Sternen, die, wie der Dichter sagt: ›zu dörren statt zu leuchten‹ geschaffen sind, geboren sind, vertrocknet sind, behauptet wird, enthauptet werden, daß hier einem sozumaßen und im Sinne der Zeit, dieselbe im Negativen als Hydra betrachtet, hydra­therapeutischen Moment ersten Ranges – immer an­gesichts dessen, daß, wie oben, keine mit Rosenfin­gern den springenden Punkt ihrer schlechthin unvor­ein­ge­nom­me­nen Hoffnung auf eine, sagen wir schwansinnige oder wesenzielle Erweiterung des natürlichen Stoffgebietes zusamt mit der Freiheit des Individuums vor dem Gesetz ihrer Volksseele zu verraten sich zu entbrechen den Mut, was sage ich, die Verruchtheit haben wird, einem Moment, wie ihm in Handel, Wandel, Kunst und Wissenschaft allüberall dieselbe Er­schei­nung, dieselbe Tendenz den Arm bieten und wel­chen bei allem, ja vielleicht eben trotz allem, als ein mehr oder minder modulationsfähiger Ausdruck einer ganz bestimmten und im weitesten Verfolge exzö­sen Welt­auf­fas­ser­raum­wort­kind­und­kunst­an­schau­ung kaum mehr zu unterschlagen versucht werden zu wol­len vermag – gegenübergestanden und beigewohnt werden zu dürfen gelten lassen zu müssen sein möchte.«

Dr. Gundula Mueller

Köpenick/Athen

Im Schaltmonat A. D. MDCCCCCVIII

Wie die Galgenlieder

entstanden

Es waren einmal acht lustige Könige, die lebten. Sie hießen aber so und so. Wer heißt überhaupt? Man nennt ihn. Eines Tages aber sprachen die lustigen Könige zueinander, wie Könige zueinander sprechen.

»Die Welt ist ohne Salz; laßt uns nach Salz gehen!« sagte der zweite. »Und wenn es Pfeffer wäre«, meinte der sechste. »Wer weiß das Neue?« fragte der fünfte. »Ich!« rief der siebente. »Wie nennst du's?« fragte der erste. »Das Unterirdische,« erwiderte der siebente, »das Links, das Rechts, das Dazwischen,

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