Ungekürztes Werk "Dr. Katzenbergers Badereise" von Jean Paul (Seite 6)

wahren Abscheu vor allen Gevatterschaften überhaupt, nicht bloß der Ausgaben halber – was für ihn das wenigste war, weil er das Wenigste gab –, sondern wegen der geldsüchtigen Willkür, welche ja in einem Tage zwanzig Mann stark von Kreißenden alles Standes ihn anpacken und aderlassend anzapfen konnten am Taufbecken. Zweitens konnt er den einfältigen Aberglauben des Umgelders Mehlhorn nicht ertragen, geschweige bestärken, welcher zu Theoda, da unter dem Abendmahl-Genuß gerade bei ihr der Kelch frisch eingefüllt wurde*, mehrmal listig-gut gesagt hatte: »So wollen wir doch sehen, geliebts Gott, meine Mademoiselle, ob die Sache nicht eintrifft und Sie noch dieses Jahr zu Gevatter stehen; ich sage aber nicht, bei wem.« – Und drittens wollte Katzenberger seine Tochter, deren Liebe er fast niemand gönnte als sich, im Wagen den Tagopfern und Nachtwachen am künftigen Kindbette entführen, von welchem die Freundin selber sie sonst, wie er wußte, nicht abbringen konnte. »Bin ich und sie aber abgeflogen«, dacht er, »so ists doch etwas, und die Frau mag kreißen.«

Dritte Summula

Ein Reisegefährte

Wider alle Erwartung meldete sich am Vorabend der Abreise ein Fremder zur Mitbelehnschaft des Wagens.

Während der Doktor in seinem Mißgeburten-Kabinette einiges abstäubte von ausgestopften Tierleichen, durch Räuchern die Motten (die Teufel derselben) vertrieb und den Embryonen in ihren Gläschen Spiritus zu trinken gab: trat ein fremder, feingekleideter und fein-gesitteter Herr in die Wohnstube ein, nannte sich Herr von Nieß und überreichte der Tochter des Doktors, nach der Frage, ob sie Theoda heiße, ein blau-eingeschlagenes Briefchen an sie; es sei von seinem Freunde, dem Bühnen-Dichter Theudobach, sagte er. Das Mädchen entglühte hochrot und riß zitternd mit dem Umschlag in den Brief hinein (die Liebe und der Haß zerreißen den Brief, so wie beide den Menschen verschlingen wollen) und durchlas hastig die Buchstaben, ohne ein anderes Wort daraus zu verstehen und zu behalten als den Namen Theudobach. Herr v. Nieß schaute unter ihrem Lesen scharf und ruhig auf ihrem geistreichen, beweglichen Gesicht und in ihren braunen Feuer-Augen dem Entzücken zu, das wie ein weinendes Lächeln aussah; einige Pockengruben legten dem beseelten und wie Frühling-Büsche zart- und glänzend-durchsichtigen Angesicht noch einige Reize zu, um welche der Doktor Jenner die künftigen Schönen bringt. »Ich reise«, sagte der Edelmann darauf, »eben nach dem Badeorte, um da mit einer kleinen deklamierenden und musikalischen Akademie von einigen Schauspielen meines Freundes auf seine Ankunft selber vorzubereiten.« Sie blieb unter der schweren Freude kaum aufrecht; den zarten, nur an leichte Blüten gewohnten Zweig wollte fast das Fruchtgehänge niederbrechen. Sie zuckte mit einer Bewegung nach Nießens Hand, als wollte sie die Überbringerin solcher Schätze küssen, streckte ihre aber – heiß und rot über ihren, wie sie hoffte, unerratenen Fehlgriff – schnell nach der entfernten Türe des Mißgeburten-Kabinettes aus und sagte: »Da drin ist mein Vater, der sich freuen wird.«

Er fuhr fort: er wünsche eben ihn mehr kennen zu lernen, da er dessen treffliche Werke, wiewohl als Laie, gelesen. Sie sprang nach der Türe. »Sie hörten mich nicht aus«, sagte er lächelnd. »Da ich nun im Wochenblatte die schöne Möglichkeit gelesen, zugleich mit einer

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