Ungekürztes Werk "Der Schimmelreiter" von Theodor Storm (Seite 210)

nachgeschlichen. »Ein Bote ist dagewesen«, sagte sie; »vom Landgerichte, heut am Vormittag!«

»Was hat denn der gewollt?«

»Weiß nicht, er frug nach Euch; da hab ich zu der Frau ihn hingewiesen.«

»Bärbe!« sagte der Junker leise, und auf der Bettkante sitzend, strich er seinem Weibe die feuchten Haare von den Schläfen.

»Ja!« – – Wie ein Hauch kam es, und wie aus einer fernen Welt hob sich das junge, durchsichtige Antlitz aus dem Kissen auf. »Bist du es, Hinrich?« – Und sie streckte heftig ihre beiden Hände um seinen Hals und schrie, als ob Entsetzen sie befalle: »Nein, nicht von dir; nicht von dir! O – lieber sterben!« Dann ließ sie los und sank mit geschlossenen Augen in die Kissen.

Der Junker war an der Bettstatt hingestürzt: »Nein, nicht von mir; nie, nie! – – Hör' es, hör' es doch; nie von mir, solange wir beide leben!«

Aber sie lag wie eine Tote.

Da besann er sich: »Der Bote muß was gebracht haben«, sprach er; »holet es mir!«

Und die dumme Dirne, die an der Tür stand und mit der Faust die Tränen von den Augen wischte, lief in das Wohngemach und brachte ihm etliche Schriftstücke und eine aufgerissene Hülse.

»Seh Sie nach meinem Weibe!« sagte er zu der Frau; dann las er; und nach einer Weile laut und immer lauter: »Dann Anno 1655 ist gen. Vater mit der Barbara in das Gut gezogen, hat aber verabsäumet, sich seine Freiheit von dem Grundherrn legaliter verbriefen zu lassen, und sind demnach die zwei Genannten, wie durch Urteilsspruch des Landgerichtes mehrfach schon bestätiget, desselben Eigene worden. Die Ehe des Beklagten mit selbiger Leibeigenen ist eine nichtige, da sie ohne des klägerischen per testamentum Eigentümers consensu ist geschlossen worden.«

»Der Teufel ist dein Leibeigener!« schrie der Junker und warf die Klageschrift des Bruders von sich.

Aber die Hebamme legte die Hand auf seinen Arm: »Herr, Euer Weib!«

»Ja, ja; und das hat sie gelesen! Er wußte es, wo sie zu treffen war.« Und er neigte sich zu ihr; und da er ihre Hand ergriff, war sie fast kalt, und das Gesicht verwandelte sich seltsam.

»Was ist das?« frug er.

»Ich weiß nicht, Herr. Holt einen Arzt!«

»Bärbe, Bärbe, geh nicht von mir, bis ich wiederkomme«.

Und schon war er zur Tür hinaus. »Hans Christoph!« rief er; »Hans Christoph!«

Aber die Dirne war ihm nachgelaufen: »Was denkt Ihr, Herr! Er ist zum Schmied hinunter mit den Sensen.«

Da warf er sich selbst auf seinen Rappen, und mit todblassem Angesicht flog er durch die Eichen von Grieshuus hinüber nach der Stadt.

– – Ein paar Stunden war es weiter; der Mond war aufgegangen und stand zu Osten über der Heidemulde. Kein Tierlaut regte sich; die Vögel lagen im Kraut auf ihren Nestern; nur die hoch aufgeschossene, stille Dirne aus der Besenbinderkate vom Ende des Dorfes hatte sich verspätet; eifrig schnitt sie mit ihrem kurzen Messer die Heide ab und legte sie zu Haufen. Da galoppierte ein Reiter an ihr vorbei. »Heida!« Aber sie hatte ihn erkannt; es war der Reitknecht des herzoglichen Rates, der nach Grieshuus hinüberritt. »Was wollte der?« Und sie band sich

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