Ungekürztes Werk "Der Schimmelreiter" von Theodor Storm (Seite 55)

man das Geräusch der Arbeiter: das Klatschen der hineingestürzten Kleimassen, das Rasseln der Karren und das Rauschen des von oben hinabgelassenen Strohes ging unaufhaltsam vorwärts; dazwischen war mitunter das Winseln eines kleinen, gelben Hundes laut geworden, der frierend und wie verloren zwischen Menschen und Fuhrwerken herumgestoßen wurde; plötzlich aber scholl ein jammervoller Schrei des kleinen Tieres von unten aus der Schlucht herauf. Hauke blickte hinab; er hatte es von oben hinunterschleudern sehen; eine jähe Zornröte stieg ihm ins Gesicht. ›Halt! Haltet ein!‹ schrie er zu den Karren hinunter denn der nasse Klei wurde unaufhaltsam aufgeschüttet.

›Warum?‹ rief eine rauhe Stimme von unten herauf; ›doch um die elende Hundekreatur nicht?‹

›Halt! sag ich‹, schrie Hauke wieder; ›bringt mir den Hund! Bei unserem Werke soll kein Frevel sein!‹

Aber es rührte sich keine Hand; nur ein paar Spaten zähen Kleis flogen noch neben das schreiende Tier. Da gab er seinem Schimmel die Sporen, daß das Tier einen Schrei ausstieß, und stürmte den Deich hinab, und alles wich vor ihm zurück. ›Den Hund!‹ schrie er; ›ich will den Hund!‹

Eine Hand schlug sanft auf seine Schulter, als wäre es die Hand des alten Jewe Manners; doch als er umsah, war es nur ein Freund des Alten. ›Nehmt Euch in acht, Deichgraf!‹ raunte der ihm zu. ›Ihr habt nicht Freunde unter diesen Leuten; laßt es mit dem Hunde gehen!‹

Der Wind pfiff, der Regen klatschte; die Leute hatten die Spaten in den Grund gesteckt, einige sie fort­geworfen. Hauke neigte sich zu dem Alten: ›Wollt Ihr meinen Schimmel halten, Harke Jens?‹ frug er; und als jener noch kaum den Zügel in der Hand hatte, war Hauke schon in die Kluft gesprungen und hielt das kleine, winselnde Tier in seinem Arm; und fast im selben Augen­blicke saß er auch wieder hoch im Sattel und sprengte auf den Deich zurück. Seine Augen flogen über die Männer, die bei den Wagen standen. ›Wer war es?‹ rief er. ›Wer hat die Kreatur hinabgeworfen?‹

Einen Augenblick schwieg alles, denn aus dem hageren Gesicht des Deichgrafen sprühte der Zorn, und sie hatten abergläubische Furcht vor ihm. Da trat von einem Fuhrwerk ein stiernackiger Kerl vor ihn hin. ›Ich tat es nicht, Deichgraf‹, sagte er und biß von einer Rolle Kautabak ein Endchen ab, das er sich erst ruhig in den Mund schob; ›aber der es tat, hat recht getan; soll Euer Deich sich halten, so muß was Lebiges hinein!‹

›Was Lebiges? Aus welchem Katechismus hast du das gelernt?‹

›Aus keinem, Herr!‹ entgegnete der Kerl, und aus seiner Kehle stieß ein freches Lachen; ›das haben unsere Großväter schon gewußt, die sich mit Euch im Christentum wohl messen durften! Ein Kind ist besser noch; wenn das nicht da ist, tut's auch wohl ein Hund!‹

›Schweig du mit deinen Heidenlehren‹, schrie ihn Hauke an, ›es stopfte besser, wenn man dich hineinwürfe.‹

›Oho!‹ erscholl es; aus einem Dutzend Kehlen war der Laut gekommen, und der Deichgraf gewahrte rings­um grimmige Gesichter und geballte Fäuste; er sah wohl, daß das keine Freunde waren; der Gedanke an seinen Deich überfiel ihn wie ein Schrecken: was sollte werden, wenn

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