Interpretation "Der Schimmelreiter und Erzählungen" von Theodor Storm (Seite 2)

Mit Aquis submersus (1875/76) begann Storm die Reihe der Chroniknovellen – 'historische' Novellen, die von einem eigentlich ahistorischen Standpunkt aus geschrieben sind.

»Ich verlange für den Dichter das Recht, wenn er es kann, auch eine vergangene, ja auch eine fremde Welt uns heraufzubeschwören; es kommt alles immer und immer nur darauf an, daß er uns in dieser einen poetisch angeschauten ewig menschlichen Inhalt zu geben vermag«, schrieb er an Erich Schmidt. Und weiter:

Ist in einem Kunstwerk die Darstellung vorübergegangener Lebensformen das Wesentliche, so ist dessen Geltung von der Zeitströmung oder besser von der Mode abhängig; ist die Darstellung des rein Menschlichen, für uns des Ewigen, der Inhalt, so kann die Zeitströmung es nicht verwaschen, und eine bescheidene Benutzung des historischen Außenwerks, wie bei mir, kann es nicht in den Abgrund ziehen. Andererseits, was wäre in den Empfindungen meiner Menschen, was die im 14. Jahrhundert anders hätten empfinden müssen?

Aquis submersus (1875/76) geht zurück auf das Bonnixsche Epitaph in der Kirche zu Drelsdorf, das Storm 1873 kennengelernt hatte – ein großes Ölbild in vier Feldern mit der Familie eines Priesters, wobei unter dem Bild des Knaben die Worte stehen: »Aquis incuria servi submersus«. »Diese seltsam harte, die Nachlässigkeit des armen Kerls verewigende Inschrift prägte sich mir ein und ging mir nach«, erzählte Storm. Alles andere aber hatte er selbst erfunden.

Storms antifeudale Gesinnung – die Liebe der Adeligen Katharina zum Maler Johannes ist durch den Standesunterschied zum Scheitern verurteilt – kommt deutlich zum Ausdruck. Nach einer Liebesnacht muß der Maler fliehen, erst nach Jahren treffen sie sich wieder. Katharina, verbannt und einem Pfarrer zur Frau gegeben, und Johannes haben allerdings ihre Liebe bewahrt. Als sie sich wiedersehen, ertrinkt durch beider Unachtsamkeit ihr gemeinsamer Sohn, dem Johannes ein Bild malt mit der Inschrift »Culpa patris aquis submersus«. Zur 'Schuldfrage' schrieb Storm:

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