Literaturepoche Nachkriegsliteratur (1945-1968) (Seite 4)
Ungleich produktiver war Günter Grass, der mit seinem umfangreichen belletristischen, politisch wie gesellschaftskritisch engagierten Werk sowohl die Nachkriegs- als auch die Gegenwartsliteratur bis heute entscheidend mitprägte und 1999 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde. Mit seinem auch international äußerst erfolgreichen Roman Die Blechtrommel (1959), für den Grass 1958 den Preis der Gruppe 47 erhielt, setzte er neue (ästhetische) Maßstäbe, nicht nur für die deutschsprachige Literatur. Der Roman wird aus der Perspektive des Sonderlings Oskar Matzerath erzählt, der nach dem Zweiten Weltkrieg als Insasse einer Heil- und Pflegeanstalt auf sein Leben und seine eigenen Verstrickungen in die große Politik zurückblickt. Die Blechtrommel wurde in der noch jungen Republik zum Skandalerfolg. Ihr folgten die Novelle Katz und Maus (1961), die in der Zeit des Zweiten Weltkriegs angesiedelt ist, und der Roman Hundejahre (1963), der den Zeitraum vom Ende des Ersten Weltkriegs bis zum Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit umfasst. Die drei Werke, die alle in seinem Geburtsort spielen, fasste Grass zur Danziger Trilogie zusammen.
So politisch die Literatur von Grass ist, so unpolitisch sind die Gedichte Gottfried Benns, der – nach seinem früheren Erfolg als Expressionist – in den 50er Jahren zu erneutem Ruhm gelangte. Unbeirrt von anderen künstlerischen Strömungen seiner Zeit, verfolgte er sein Ideal von autonomer und monologischer Kunst und bemühte sich um das „absolute Gedicht“: „Das Gedicht ohne Glauben, das Gedicht ohne Hoffnung, das Gedicht an niemanden gerichtet“. Mit seiner Sammlung Statische Gedichte (1948), die seine Programmatik einer sich selbst genügenden, wirklichkeitsfernen Kunst konsequent umsetzt, beeinflusste Benn eine ganze Generation von Lyrikern. Im Gegensatz zu ihm schrieb Ingeborg Bachmann, die 1953 Preisträgerin der Gruppe 47 wurde, mit ihrer Lyrik explizit gegen eine Wirklichkeit an, die in ihren Texten häufig dunkel und hoffnungslos erscheint. In ihren beiden Gedichtsbänden Die gestundete Zeit (1953) und Anrufung des Großen Bären (1957) verarbeitete sie persönliche Erfahrungen während des Zweiten Weltkriegs, nicht zuletzt ihre Erinnerungen an die Besetzung Österreichs durch deutsche Truppen. Auch der dritte große Lyriker der 50er Jahre, Paul Celan, verarbeitete in seinen Werken erfahrenes Leid. Der in der rumänischen Bukowina geborene Celan war mit seiner jüdischen Familie in ein deutsches Arbeitslager verschleppt worden, das er als Einziger überlebt hatte. In seinen höchst metaphorischen, sprachsensiblen Gedichten – etwa aus den Sammlungen Mohn und Gedächtnis (1952), Von Schwelle zu Schwelle (1955) oder Sprachgitter (1959) – verlieh er dem kaum in Worte zu fassenden Leid, das dem jüdischen Volk durch den Holocaust angetan wurde, einen unvergesslichen Ausdruck. In Celans berühmtestem Gedicht Todesfuge (1948) wird dieses Unfassbare wie in kaum einem zweiten Text zumindest erahnbar.