Ausführliche Biographie Wolfgang Borchert (1921 – 1947) (Seite 2)

Nach der Volksschule besucht er die Oberrealschule in Hamburg-Eppendorf. Er war kein besonders guter Schüler, eher das Gegenteil: Im Abgangszeugnis hat er Mangelhaft in Latein und Französisch; eine Sechs in Mathematik – und in Deutsch auch nur ein Befriedigend. Unaufmerksam soll er in der Schule gewesen sein, „in ernsten Dingen nicht immer ernst genug“.

1938 geht er von der Schule ab. Wolfgang will Schauspieler werden. Besorgt um ihren Sohn bringen ihn seine Eltern zunächst davon ab. Schließlich beginnt er eine Buchhandelslehre bei Heinrich Boysen. Bei der Vorstellung zusammen mit seinem Vater wird er gefragt: „Nun, Sie wollen Buchhändler werden, Herr Borchert?“ Antwort: „Nein, ich muss.“

Die Zeit seines öden Lehrlingsdaseins – er muss Buchpakete ein- und auspacken und Etiketten kleben – wertet er auf, indem er heimlich Schauspiel- und Stepp-Unterricht nimmt. Ohne Wissen der Eltern besteht er die Aufnahmeprüfung in der Schauspielschule Helmuth Gmelins und wirft ihnen die Bescheinigung ebenso wortlos wie triumphierend auf den Tisch. Die Eltern lassen ihn gewähren und die Schule besuchen. Nachdem er die Abschlussprüfung bestanden hat, bricht er die Buchhändlerlehre ab und erhält sein erstes Engagement.

Der junge Borchert zeigt eine Neigung zu Extravaganz und Exzentrizität. Er provoziert mit der Kleidung, zieht z. B. die Krawatte durch einen Siegelring oder schneidet sich die Hutkrempe ab. Da ist er modern, mittels der Kleidung provozieren wollen die Kids häufig heute auch. „Unbedingte Freiheit“ ist sein Motto. Aber: In dieser Zeit – nach 1933 – war solches Handeln alles andere als ungefährlich. 1940 macht Wolfgang erste Bekanntschaft mit der Gestapo. Er soll homosexuelle Beziehungen zu jungen Männern gehabt haben (damals stand die Homosexualität unter Strafe; nach der Strafrechtsnovelle von 1935 galt sie als Verbrechen und wurde bis zu zehn Jahren Zuchthaus bestraft). Was war geschehen? Wolfgang hatte einer Kollegin aus dem Buchhandel ein Gedicht vorgelesen, das von der Knabenliebe handelte (es ist nicht erhalten, aber wohl eine Art Ode gewesen, geschrieben in klassischer Manier). Zudem sollte er ein Verhältnis zu einem „gewissen Rieke“ gehabt haben. Seine „Rieke-Liebe“ erwies sich als Irrläufer; man hatte das „l“ im Namen des Dichters „Rilke“ für ein „e“ gehalten ...

Man mache sich klar, dass Borchert aufgrund eines solchen aberwitzigen Verdachts eine Nacht in einer Polizeizelle verbrachte.

Es wird nicht seine letzte Begegnung mit der Gestapo und dem Gefängnis sein.

„Hier kommt noch mal eine Plakette ans Haus!“
Der junge Wolfgang Borchert – ein Genie?

Mitnichten. Aber er scheint sich manchmal als solches zu fühlen. Neigt zu Größenwahn und Selbstüberschätzung. Weder ein großer Dichter sei er noch ein Genie, sagt die Mutter einmal genervt zu ihm, sondern „ein ganz erbärmlicher Wicht!“ Wolfgangs Antwort: „Ihr werdet euch noch alle wundern. Hier kommt noch mal eine Plakette ans Haus.“

Seiten