Interpretation "Die Judenbuche" von Annette von Droste-Hülshoff (Seite 4)

Diese Perspektive enthält eine innere Spannung: Während die Haltung der eines allwissenden, auktorialen Erzählers zu entsprechen scheint, erweist sich dieser im Gegensatz zur idealtypischen Ausprägung als unzureichend informiert: anlässlich der ungeklärt bleibenden Oberförster-Episode wendet er sich sogar direkt an den Leser und gibt zu, dass es "in einer erdichteten Geschichte unrecht sein [würde], die Neugier des Lesers so zu täuschen. Aber dies alles hat sich wirklich zugetragen; ich kann nichts davon oder dazutun". Dementsprechend erfolgt auch keine Über-Distanzierung; so wenig in die Menschen einerseits hineingeschaut werden kann, so wenig werden sie andererseits durch Ironie zu Typen abgestempelt.

Der Kontrast von schrecklichem Geschehen und nüchterner Erzählweise, die Spannung, die sich aus der Erzählperspektive ergibt, und die genauen, lebensnahen Schilderungen der Dorfverhältnisse geben der Erzählung einen über Epochendefinitionen hinausgehenden 'klassischen' Charakter, die durch die folgerichtige, unabwendbare, ja unerbittliche Abfolge der Ereignisse eine archaisch-mythische Dimension erhält.

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