Ungekürztes Werk "Libertas und ihre Freier" von Joseph von Eichendorff (Seite 9)

und braten obendrein.«

»Nein, nein, die alte Spinne ist ja selber ausgewandert, ich bin ihr gestern begegnet«, sagte Magog voll Verwunderung, »aber warum nehmen Sie sich denn die Sache so sehr zu Herzen, teuerste Frau von Rüpel?«

»Wie sollt' ich nicht!« erwiderte die Riesin, »ach wir armen Waldleute müssen uns gar kümmerlich durchhelfen mit der großen Familie. Sehen Sie, lieber Herr, ich und mein Mann arbeiten hier für die vornehmen Tiere: Hirsche, Rehe und anderes Hochwild, um Tagelohn, den wir von ihnen in Naturalien beziehen. Des Abends spricht mancher Edelhirsch bei uns ein, wenn er nachts auf die Freite gehen will, da muß ihm mein Mann die Pelzstiefelchen putzen, dafür erhalten wir denn die Felle der verunglückten Kameraden und die abgeworfenen Geweihe in die Wirtschaft. Alle Morgen aber kommen die Bären und lassen sich ihre Pelze ausklopfen und bringen uns große Honigfladen, oder ein paar wilde Schweine lassen sich ihre Hauer schleifen und werfen uns zum Dank einen fetten Frischling auf die Schwelle, denn die Zeiten sind schlecht, da kommt es ihnen auf ein Kind mehr oder weniger nicht an. Ich aber flechte Nester für die Adler, Habichte und Auerhühner, und die lassen uns dann im Vorüberfliegen einen Hasen oder ein Zicklein herunterfallen oder legen uns nachts einige Schock hier vor die Tür, wenn sie eben nicht Lust haben, alle auszubrüten. Und nun – ach das große Unglück! Jetzt haben wir unsere Kundschaft verloren und stehen ganz verlassen in der Welt, oh, oh!« Und hier fing sie jämmerlich zu heulen an, und der Riese, der sich lange gehalten, stimmte plötzlich furchtbar mit ein.

Da trat Magog mannhaft mitten unter sie. »Das soll bald anders werden!« rief er; »kennt Ihr das Schloß des Baron Pinkus?« Der Riese entgegnete, er habe es wohl von fern gesehen, wenn er manchmal zur Unterhaltung bis an den Rand des Waldes gegangen, um die Köhler und andere kleine Leute zu schrecken. »Nun gut«, fuhr Magog fort, »dort eben sitzt die Libertas gefangen. Seht, mich hat auch die Welt nur auf elende Lorbeeren gebettet, daß ich mir an dem stacheligen Zeug schon den ganzen Ärmel am Ellbogen durchgelegen; darum habe ich ein Herz für das arme Riesenvolk. Die Libertas ist eine reiche Partie, wir müssen sie befreien! Dabei kann es vielleicht einige Püffe setzen, was frag' ich danach! Ihr habt ja ein dickes Fell, alles für meine leidenden Brüder! Mit einem Wort: Ihr befreit sie, und ich heirate sie dann, und Ihr seid auf dem Schlosse Portier und Schloßwart und Haushofmeister, eh' man die Hand umdreht. Topp, schlagt ein – aber nicht zu stark, wenn ich bitten darf.«

Darüber war Rüpel ganz wild geworden und schritt, ohne ein Wort zu sagen, so eilig in die Hütte, daß Magog nur mühsam und mit vorgehaltenen Händen tappend folgen konnte. Denn sie stiegen über viele ungeschickte Felsenstufen in eine große Höhle hinab, über welcher der Berg, den Magog für die Hütte gehalten, nur das Dach und den Schornstein bildete. Im Hintergrunde der Höhle hing ein Kessel über dem Feuer, ein zahmer Uhu mit großen

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