Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 127)

vorgeschobene Seespitze herumbiegen wollte, sah er, daß wer am Wege lag, den Oberkörper unter Gras und Binsen versteckt, aber die Füße quer über das Fahrgeleise.

Martin hielt an. »Gnädiger Herr, da liegt wer. Ich glaub’, es ist der alte Tuxen.«

»Tuxen, der alte Süffel von Dietrichsofen?«

»Ja, gnädiger Herr. Ich will mal sehen, was es mit ihm is.«

Und dabei gab er die Leinen an Dubslav und stieg ab und rüttelte und schüttelte den am Wege Liegenden. »Awer Tuxen, wat moakst du denn hier? Wenn keen Moonschien wiehr, wiehrst du nu all kaput.«

»Joa, joa«, sagte der Alte. Aber man sah, daß er ohne rechte Besinnung war.

Und nun stieg Dubslav auch ab, um den ganz Unbehilflichen mit Martin gemeinschaftlich auf den Rücksitz zu legen. Und bei dieser Prozedur kam der Trunkene einigermaßen wieder zu sich und sagte: »Nei, nei, Martin, nich doa; pack mi lewer vörn upp’n Bock.«

Und wirklich, sie hoben ihn da hinauf, und da saß er nun auch ganz still und sagte nichts. Denn er schämte sich vor dem gnädigen Herrn.

Endlich aber nahm dieser wieder das Wort und sagte: »Nu sage mal, Tuxen, kannst du denn von dem Branntwein nich lassen? Legst dich da hin; is ja schon Nachtfrost. Noch ’ne Stunde, dann warst du dod. Waren sie denn alle so?«

»Mehrschtendeels.«

»Und da habt ihr denn für den Katzenstein gestimmt?«

»Nei, gnäd’ger Herr, för Katzenstein nich.«

Und nun schwieg er wieder, während er vorn auf dem Bock unsicher hin und her schwankte.

»Na, man raus mit der Sprache. Du weißt ja, ich reiss’ keinem den Kopp ab. Is auch alles egal. Also für Katzenstein nich. Na, für wen denn?«

»För Torgelow’n.«

Dubslav lachte. »Für Torgelow, den euch die Berliner hergeschickt haben. Hat er denn schon was für euch getan?«

»Nei, noch nich.«

»Na, warum denn?«

»Joa, se seggen joa, he will wat för uns duhn un is so sihr för de armen Lüd. Un denn kriegen wi joa’n Stück Tüffelland. Un se seggen ook, he is klöger, as de annern sinn.«

»Wird wohl. Aber er is doch noch lange nich so klug, wie ihr dumm seid. Habt ihr denn schon gehungert?«

»Nei, dat grad nich.«

»Na das kann auch noch kommen.«

»Ach, gnäd’ger Herr, dat wihrd joa woll nich.«

»Na, wer weiß, Tuxen. Aber hier is Dietrichsofen. Nu steigt ab und seht Euch vor, daß Ihr nicht fallt, wenn die Pferde anrucken. Und hier habt Ihr was. Aber nich mehr für heut. Für heut habt Ihr genug. Und nu macht, daß Ihr zu Bett kommt, und träumt von ›Tüffelland‹.«

IN MISSION NACH ENGLAND

 

Einundzwanzigstes Kapitel

 

Woldemar erfuhr am andern Morgen aus Zeitungstelegrammen, daß der sozialdemokratische Kandidat, Feilenhauer Torgelow, im Wahlkreise Rheinsberg-Wutz gesiegt habe. Bald darauf traf auch ein Brief von Lorenzen ein, der zunächst die Telegramme bestätigte und am Schlusse hinzusetzte, daß Dubslav eigentlich herzlich froh über den Ausgang sei. Woldemar war es auch. Er ging davon aus, daß sein Vater wohl das Zeug habe, bei Dressel oder Borchardt mit viel gutem Menschenverstand und noch mehr Eulenspiegelei seine Meinung über allerhand politische Dinge zum besten zu geben; aber im Reichstage fach- und sachgemäß sprechen, das konnt’ er nicht und wollt’

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