Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 139)

mich machte. Diese Möglichkeit, daß es wiederkehre. Denn ich erinnere mich noch sehr wohl – ja, du warst es selbst, Papa, der es mir erzählte –, daß Lord Palmerston einmal, unwirsch über die koburgische Nebenpolitik (ich glaube während der Krimkriegtage) sich dahin geäußert hätte: ›Dieser Prince-Consort, er täte gut, sich unser Traitors-Gate bei Gelegenheit anzusehen. Es ist zwar schon lange, daß Könige da die glibbrige Treppe hinaufgestiegen sind, aber es ist doch noch nicht so lange, daß wir uns dessen nicht mehr entsinnen könnten. Und ein Prince-Consort ist noch lange nicht ein König.‹«

Woldemar, als Melusine dies mit überlegener Miene gesagt hatte, lächelte vor sich hin, was die Gräfin derartig verdroß, daß sie mit einer gewissen Gereiztheit hinzusetzte: »Sie lächeln. Da seh’ ich doch, wie sehr ich im Rechte war, Ihnen die Phantasie abzusprechen.«

»Verzeihen Sie mir ...«

»Und nun werden Sie auch noch pathetisch. Das ist die richtige Ergänzung. Im übrigen, wie könnt’ ich mit Ihnen ernsthaft zürnen! Ein berühmter deutscher Professor soll einmal irgendwo gesagt haben: ›niemand sei verpflichtet, ein großer Mann zu sein‹. Und ebensowenig wird er ›große Phantasie‹ als etwas Pflichtmäßiges gefordert haben.«

Woldemar küßte ihr die Hand. »Wissen Sie, Gräfin, daß Sie doch eigentlich recht hochmütig sind?«

»Vielleicht. Aber mancher entwaffnet mich wieder. Und zu diesen gehören Sie.«

»Das ist nun auch wieder aus dem Ton.«

»Ich weiß es nicht. Aber lassen wir’s. Und versprechen Sie mir lieber, mir von Windsor oder London aus eine Karte zu schreiben ... nein, eine Karte, das geht nicht ... also einen Brief, darin Sie mir ein Wort über die Engländerinnen sagen, und ob Sie jede taillenlose Rotblondine drüben auch so schön gefunden haben werden, wie’s von den Kontinentalen, wenn sie dies Thema berühren, fast immer versichert wird.«

»Es wird davon abhängen, an wen ich gerade denke.«

»Nach dieser Bemerkung ist Ihnen alles verziehn.«

Woldemar blieb bis neun. Er hatte gleich in den Zeilen, in denen er sich anmeldete, die Damen wissen lassen, daß er seinen Besuch auf eine kurze Stunde beschränken müsse. So war er denn bei guter Zeit wieder daheim. Auf seinem Tische fand er ein Briefchen vor und erkannte Rex’ Handschrift. »Lieber Stechlin«, so schrieb dieser, »ich höre eben, daß Sie nach London gehn. In der Zeitung, wo’s schon gestanden haben soll, hab’ ich es übersehn. Ich beglückwünsche Sie von Herzen zu dieser Auszeichnung und lege Ihnen eine Karte bei, die Sie (wenn’s Ihnen paßt) bei meinem Freunde Ralph Waddington einführen soll. Er ist Advokat und einer der angesehensten Führer unter den Irvingianern. Fürchten Sie übrigens keine Bekehrungsversuche. Waddington ist ein durchaus feiner Mann, also zurückhaltend. Er kann Ihnen aber mannigfach behilflich sein, wenn Ihnen daran gelegen sein sollte, sich um das Wesen der englischen Dissenter, ihre Chapels und Tabernakels zu kümmern. Er ist ein Wissenschaftler auf diesem Gebiet. Und ich kenne ja Ihre Vorliebe für derlei Fragen.«

Stechlin legte den Brief unter den Briefbeschwerer und sagte: »Der gute Rex! Er überschätzt mich. Dissenterstudien. Es genügt mir, wenn ich einen einzigen Quäker sehe.«

23. Kapitel

Was Rex da schrieb, hatte doch ein Gutes gehabt; Woldemar, erheitert bei dem Gedanken,

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