Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 141)
nach England ...«
»Ah, mit der Abordnung.«
»Also wissen Sie schon davon?«
»Nein, ausgenommen das eine, daß eine Deputation oder Gesandtschaft beabsichtigt sei. Das las ich, und dabei hab’ ich dann freilich auch an Woldemar gedacht.«
Dubslav lachte. »Sonderbar. Engelke hat sich so was gedacht, Lorenzen hat sich auch so was gedacht. Nur der eigne Vater hat an gar nichts gedacht.«
»Ach, Herr von Stechlin, das ist immer so. Väter sind Väter und können nie vergessen, daß die Kinder Kinder waren. Und doch hört es mal auf damit. Napoleon war mit zwanzig ein armer Leutnant und an Ansehn noch lange kein Stechlin. Und als er so alt war wie jetzt unser Woldemar, ja, da stand er schon zwischen Marengo und Austerlitz.«
»Hören Sie, Lorenzen, Sie greifen aber hoch. Meine Schwester Adelheid wird sich Ihnen übrigens wohl anschließen und von heut ab eine neue Zeitrechnung datieren. Ich nehm’ es ruhiger, trotzdem ich einsehe, daß es nach großer Auszeichnung schmeckt. Und ist er wieder zurück, dann wird er auch allerlei Gutes davon haben. Aber solang er drüben ist! Ich trau’ der Sache nicht. Von Behagen jedenfalls keine Rede. Die Vettern sind nun mal nicht zufriedenzustellen; vielleicht ärgern sie sich, daß es draußen in der Welt auch noch ein ›Regiment Königin von Großbritannien und Irland‹ gibt. Das besorgen sie sich lieber selbst und nehmen so was, wenn andre damit kommen, wie ’ne Prätention. Wie stehen denn Sie dazu? Sie haben die Beefeaters vielleicht in Ihr Herz geschlossen wegen der vielen Dissenter. Ein Kardinal, der freilich auch noch Gourmand war, soll mal gesagt haben: ›Schreckliches Volk; hundert Sekten und bloß eine Sauce.‹«
»Ja«, lachte Lorenzen, »da bin ich freilich für die ›Beefeaters‹, wie Sie sagen, und gegen den Kardinal. Das mit den hundert Sekten lass’ ich auf sich beruhn (mein Geschmack, beiläufig, ist es nicht), aber unter allen Umständen bin ich für höchstens eine Sauce. Das ist das einzig Richtige, weil Gesunde. Die Dinge müssen in sich etwas sein, und wenn das zutrifft, so ist eigentlich jede Sauce, und nun gar erst die Sauce im Plural, von vornherein schon gerichtet. Aber lassen wir den Kardinal und seine Gewagtheiten und nehmen wir den Gegenstand seiner Abneigung: England. Es hat für mich eine Zeit gegeben, wo ich bedingungslos dafür schwärmte. Nicht zu verwundern. Hieß es doch damals in dem ganzen Kreise, drin ich lebte: ›Ja, wenn wir England nicht mehr lieben sollen, was sollen wir dann überhaupt noch lieben?‹ Diese halbe Vergötterung hab’ ich noch ehrlich mit durchgemacht. Aber das ist nun eine hübsche Weile her. Sie sind drüben schrecklich runtergekommen, weil der Kult vor dem Goldenen Kalbe beständig wächst; lauter Jobber und die vornehme Welt obenan. Und dabei so heuchlerisch; sie sagen ›Christus‹ und meinen Kattun.«
»Is leider so, wenigstens nach dem bißchen, was ich davon weiß. Und alles in allem, und neuerdings erst recht, bin ich deshalb immer für Rußland gewesen. Wenn ich da so an unsern Kaiser Nikolaus zurückdenke und an die Zeit, wo seine Uniform als Geschenk bei uns eintraf und dann als Kirchenstück in die Garnisonskirche kam. Natürlich in Potsdam.