Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 143)
Entfernung klangen Schläge herüber, wie wenn Leute Holz fällen. Er hörte mit halbem Ohr hin und sah eben auf die von Globsow her heraufführende schmale Straße, als er einer alten Frau von wohl siebzig gewahr wurde, die, mit einer mit Reisig bepackten Kiepe, den leis ansteigenden Weg heraufkam, etliche Schritte vor ihr ein Kind mit ein paar Enzianstauden in der Hand. Das Kind, ein Mädchen, mochte zehn Jahr sein, und das Licht fiel so, daß das blonde wirre Haar wie leuchtend um des Kindes Kopf stand. Als die Kleine bis fast an die Bank heran war, blieb sie stehn und erwartete da das Näherkommen der alten Frau. Diese, die wohl sah, daß das Kind in Furcht oder doch in Verlegenheit war, sagte: »Geih man vorupp, Agnes; he deiht di nix.«
Das Kind, sich bezwingend, ging nun auch wirklich, und während es an der Bank vorüberkam, sah es den alten Herrn mit großen klugen Augen an.
Inzwischen war auch die Alte herangekommen.
»Na, Buschen«, sagte Dubslav, »habt Ihr denn auch bloß Bruchholz in Eurer Kiepe? Sonst packt Euch der Förster.«
Die Alte griente. »Jott, jnädiger Herr, wenn Se doabi sinn, denn wird he joa woll nich.«
»Na, ich denk’ auch; is immer nich so schlimm. Und wer is denn das Kind da?«
»Dat is joa Karlinens.«
»So, so, Karlinens. Is sie denn noch in Berlin? Und wird er sie denn heiraten? Ich meine den Rentsch in Globsow.«
»Ne, he will joa nich.«
»Is aber doch von ihm?«
»Joa, se seggt so. Awers he seggt, he wihr et nich.«
Der alte Dubslav lachte. »Na, hört, Buschen, ich kann’s ihm eigentlich nich verdenken. Der Rentsch is ja doch ein ganz schwarzer Kerl. Und nu seht Euch mal das Kind an.«
»Dat hebb ick ehr ook all seggt. Und Karline weet et ook nich so recht un lacht man ümmer. Un se brukt em ook nich.«
»Geht es ihr denn so gut?«
»Joa; man kann et binah seggen. Se plätt’t ümmer. Alle so’ne plätten ümmer. Ick wihr oak dissen Summer mit Agnessen (se heet Agnes) in Berlin, un doa wihr’n wi joa tosamen in’n Zirkus. Un Karline wihr ganz fidel.«
»Na, das freut mich. Und Agnes, sagt Ihr, heißt sie. Is ein hübsches Kind.«
»Joa, det is se. Un is ook en gaudes Kind; se weent gliks un is immer so patschlich mit ehre lütten Hänn’. Sünne sinn immer so.«
»Ja, das is richtig. Aber Ihr müßt aufpassen, sonst habt Ihr ’nen Urenkel, Ihr wißt nicht wie. Na, gu’n Abend, Buschen.«
»’n Abend, jnäd’ger Herr.«
24. Kapitel
Der Baron Berchtesgadensche Wagen fuhr am Kronprinzenufer vor, und die Baronin, als sie gehört hatte, daß die Herrschaften oben zu Hause seien, stieg langsam die Treppe hinauf, denn sie war nicht gut zu Fuß und ein wenig asthmatisch. Armgard und Melusine begrüßten sie mit großer Freude. »Wie gut, wie hübsch, Baronin«, sagte Melusine, »daß wir Sie sehn. Und wir erwarten auch noch Besuch. Wenigstens ich. Ich habe solch Kribbeln in meinem kleinen Finger, und dann kommt immer wer. Wrschowitz gewiß (denn er war drei Tage lang nicht hier) und vielleicht auch Professor Cujacius. Und wenn nicht der,