Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 178)

sie zum übrigen auch noch meine Schwiegertochter oder soll es wenigstens werden, und da muß ich doch sprechen wie ’ne Respektsperson. Und das ist schwer, vielleicht, weil sich in meiner Vorstellung die Gräfin immer vor die Komtesse schiebt.«

Dubslav sprach noch so weiter. Aber es half ihm nichts; Lorenzen war in seinem Widerstande nicht zu besiegen, und so kam denn die Tisch- und endlich auch die gefürchtete Redezeit heran. Der Alte hatte sich schließlich drin gefunden. »Meine lieben Gäste«, hob er an, »geliebte Braut, hochverehrte Brautschwester! Ein andres Wort, um meine Beziehungen zu Gräfin Melusine zu bezeichnen, hat vorläufig die deutsche Sprache nicht, was ich bedaure. Denn das Wort sagt mir lange nicht genug. Wenige Stunden erst ist es, daß ich Sie, meine Damen, an dieser Stelle begrüßen durfte, noch kein voller Tag, und schon ist der Abschied da. Währenddem hab’ ich kein ›Du‹ beantragt, aber es liegt doch in der Luft, mehr noch auf meiner Lippe ... Teuerste Armgard! dies alte Haus Stechlin also soll Ihre dereinstige Heimstätte werden; Sie werden sie zu neuem Leben erheben. Unter meinem Regime war es nicht viel damit. Auch heute nicht. Ich habe nur das gute Gewissen, Ihnen während dieser kurzen Spanne Zeit alles gezeigt zu haben, was gezeigt werden konnte: mein Museum und meinen See. Die Sprudelstelle (die Winterhand lag darauf) hat geschwiegen, aber mein Derfflingerscher Dragoner – in Krippenstapels Abwesenheit darf ich ihn ja wieder so nennen – hat dafür um so deutlicher zu Ihnen gesprochen. Er hat die Zahl 1675 in seiner Standarte und trägt die Siegesnachricht von Fehrbellin ins märkische Land. Erleb’ ich’s noch und gibt Krippenstapel seine Zustimmung, so stell’ ich, kurz oder lang, auch meinerseits ­einen Dragoner auf meinen Dachreiter (einen Turm hab’ ich nicht), und zwar einen Dragoner vom Regiment Königin von Großbritannien und Irland, und auch er trägt eine Siegesbotschaft ins Land. Nicht die von Königgrätz und nicht die von Mars-la-Tour, aber die von einem gleich gewichtigen Siege. Das Haus Barby lebe hoch und meine liebe Schwiegertochter Armgard!«

Alle waren bewegt. Am meisten Lorenzen. Als er an den Alten herantrat, flüsterte er ihm zu: »Sehn Sie. Ich wußt’ es.« Armgard küßte dem Alten die Hand, Melusine strahlte. »Ja, die alte Garde!« sagte sie. Nur Schwester Adelheid konnte sich in dieser allgemeinen Freude nicht gut zurechtfinden. Alle Feierungen mußten eben das Maß halten, das sie vorschrieb. Sie hatte den landesüblichen Zug: »Nur nicht zuviel von irgendwas, am wenigsten aber von Huldigungen oder gar von Hingebung.«

Als man wieder saß, sagte Melusine: »Krippenstapel wird übrigens verstimmt sein, wenn er von Ihrem Trinkspruche hört. Es war doch eigentlich eine erneute feierliche Proklamierung des Derfflingerschen. Und was bei solcher Gelegenheit gesagt wird, das gilt ... Interessiert sich übrigens irgendwer für dies Ihr Museum?«

»Dann und wann ein Mann von Fach. Sonst niemand.«

»Was Sie verdrießt.«

»Nein, gnädigste Gräfin. Nicht im geringsten. Ich nehme nicht vieles ernsthaft, und am wenigsten ernsthaft nehm’ ich mein Museum. Es ist freilich von mir ausgegangen und interessierte mich auch eine Weile; hinterher aber hat sich eigentlich alles ohne mich gemacht.

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